Untersuchungsausschuss Stuttgart 21: Wasserwerfer war "mildestes Mittel"
Stuttgarts Polizeipräsident sagt vor dem Untersuchungsausschuss zu den Einsätzen gegen Stuttgart-21-Proteste aus. Für ihn haben die Bahnhofs-Gegner einfach nur die Polizei behindern wollen.
STUTTGART taz | Stuttgarts Polizeipräsident Siegfried Stumpf hat vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss eine politische Einflussnahme auf den massiven Polizeieinsatz im Schlossgarten von Ende September ausgeschlossen. "Wir haben den Einsatz so geplant, wie wir es polizeitaktisch wollten", sagte Stumpf am Montag im Stuttgarter Landtag.
Das habe mit Politik nichts zu tun. Gleichzeitig rechtfertigte er den Einsatz als verhältnis- und rechtmäßig. Es habe sich im Schlossgarten um keine Versammlung der Demonstranten gehandelt, sondern um "schlichte Verhinderungsaktionen". Der Selbstzweck sei nicht die politische Meinungsäußerung gewesen, sondern die Behinderung der Polizei.
Im Streit über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" war die Polizei Ende September mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen Demonstranten vorgegangen. Zahlreiche Videomitschnitte zeigen, wie dabei friedliche Demonstranten angegangen wurden. Der Untersuchungsausschuss soll vor allem klären, ob es eine politische Einflussnahme auf die Polizeitaktik gab.
Stumpf sagte, dass die Polizei damals "überrannt" worden sei. "Mit diesem massiven Widerstand in dieser Größenordnung und gegen die Polizei gerichtet haben wir nicht gerechnet." Er sprach von einer neuen Qualität des Protests, verglichen mit früheren Demonstrationen gegen Stuttgart 21, da die Leute zum ersten Mal auch gegen die Polizei vorgegangen seien.
Diese neue Qualität habe die Masse betroffen, nicht nur einzelne Demonstranten. Man sei Platzverweisen nicht gefolgt, habe Polizeibeamte beschimpft und sich gegen das Einschreiten der Polizei gestemmt. Daher habe diese unmittelbaren Zwang anwenden müssen. Der Wasserwerfer sei in diesem Fall - über den unmittelbaren Körpereinsatz hinaus - das "mildeste Mittel".
Uli Sckerl von den Grünen merkte an, dass die Wasserwerfer entgegen der Dienstvorschrift auf die Köpfe der Menschen gezielt hätten. Die Opposition war auch erstaunt, dass sich Stumpf von dem starken Protest überrascht zeigte. Insbesondere die sogenannten Parkschützer hätten in Internetforen angekündigt, dass sie zu zivilem Ungehorsam bereit seien. Andreas Stoch (SPD) kündigte an: "Der Eindruck, den Herr Stumpf hier versucht zu erwecken, wird weiter zu hinterfragen sein."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé