Untersuchung zum Eier-Skandal in Bayern: Der lange Schatten des Hühnerbarons
Ein Ausschuss des Landtags arbeitet den Salmonellen-Skandal von 2014 auf. Die Liste mit Vorwürfen gegen die Firma „Bayern-Ei“ ist lang.
Die Spur führt schnell nach Niederbayern, zur Firma Bayern-Ei. Auch der Caterer, der den Mann in Tirol beliefert hat, hat Eier von dort verarbeitet. Ob der Todesfall tatsächlich auf die verseuchten Eier zurückzuführen ist, wird zwar aktuell noch von einem Gutachter geprüft, gilt jedoch als sehr wahrscheinlich.
Jetzt beschäftigt sich auch ein Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag mit dem Fall. Er nennt sich schlicht und bezeichnend: „Ei.“ Nachdem es bisher um Formalien ging, steigen die Parlamentarier am Dienstag in die inhaltliche Debatte ein.
Drei Standorte besitzt Bayern-Ei in Niederbayern, es wird aber auch in Tschechien produziert. Rund eine Million Eier soll die Firma am Tag ausliefern. Die Hennen werden in Käfigen gehalten und das unter Bedingungen, die schon oft in der Kritik standen: Überbesatz, Tierquälerei, völlig mangelhafte Hygiene. Auch bei den Mindesthaltbarkeitsdaten soll getrickst worden sein. Die Liste der Vorwürfe gegen Bayern-Ei ist lang.
„Schlechter kontrolliert als die Würstlbude um die Ecke“
Die Unternehmerfamilie Pohlmann, die hinter der Firma steht, hat schon öfter von sich reden gemacht. Vater Anton Pohlmann wurde bereits in den Neunzigern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Zahlung von 3,1 Millionen Mark verurteilt. Außerdem wurde ihm lebenslang die gewerbliche Tierhaltung verboten. „Charakterlich ungeeignet.“
Pohlmann senior war wegen unterlassener Hilfeleistung, Tierquälerei und zahlreicher Verstöße gegen das Lebensmittel- und Arzneimittelrecht angeklagt worden, noch in seiner niedersächsischen Heimat. Sein Sohn Stefan kam damals mit einer Geldbuße davon und versuchte alsbald sein Glück im Süden: Bayern-Ei – anderer Name, gleiches Geschäftsmodell.
Während Stefan Pohlmann demnächst in Regensburg der Prozess gemacht werden soll, untersucht der Ausschuss die Fragen nach der Verantwortung von Behörden und Politik. Mehr als 350 Fragen umfasst der Katalog, den die Opposition aus SPD, Freien Wählern und Grünen erarbeitet hat. Sie lauten: „Zu welchem Schluss sind die Behörden bei Ihrer Gefahreneinschätzung gekommen?“ Oder: „Befanden sich Eier der Firma Bayern-Ei in Bayern im Handel nach dem 01.07.2014?“ Aber zum Beispiel auch: „War Staatsminister (StM) Dr. Marcel Huber mit Verantwortlichen oder Unterlagen der Firma Bayern-Ei in Kontakt? Wenn ja, wann, wie und weswegen?“
Florian von Brunn sitzt in seinem Bürgerbüro im Münchner Stadtteil Sendling und schimpft. „Die haben Bayern-Ei schlechter kontrolliert als die Würstlbude um die Ecke.“ Von Brunn ist SPD-Abgeordneter, Umwelt und Verbraucherschutz sind seine Spezialgebiete, er sitzt im Untersuchungsausschuss „Ei“. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden: „Bei der Vorgeschichte des Unternehmens hätte man doch mal sagen müssen: Wir schauen uns den Laden jetzt ganz genau an.“ Stattdessen habe man den umstrittenen Hühnerbaron mit Samthandschuhen angefasst. „Wenn es um Sanktionen ging, haben die immer das mildeste Mittel gewählt.“
Eine viel zu unternehmerfreundliche Haltung
Vor allem, dass es keine öffentliche Warnung gegeben hat, nachdem die ersten Salmonellen-Erkrankungen bekannt wurden, kreidet von Brunn den Landratsämtern und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit an. Auch habe man sich bei der Auswertung von Proben sehr viel Zeit gelassen.
Insgesamt gebe es da in Bayern eine viel zu unternehmerfreundliche Haltung, sagt der SPD-Politiker und erzählt eine Begebenheit, die sich am 12. August 2014 in der Regierung von Niederbayern zugetragen habe. Dort, so könne man den Akten entnehmen, hätten vormittags einige Behördenvertreter zusammengesessen und über das weitere Vorgehen nach den Salmonellen-Erkrankungen beraten. Schon bald sei aber ein weiterer Mann dazu gestoßen und habe mit diskutiert: Stefan Pohlmann.
Von Brunn spricht von „Kumpanei mit Unternehmen“, Ulrike Scharf, die jetzige Umweltministerin, von einem völlig normalen Vorgang. Man habe eben Maßnahmen beschlossen und sie dann gleich dem Betroffenen mitgeteilt. „Dagegen spricht das Protokoll“, kontert von Brunn. „Die Behörden haben sich um 9 Uhr getroffen, um 10.30 Uhr kam der Herr Pohlmann dazu, und die Sitzung hat bis 14 Uhr gedauert. Frau Scharf kann mir nicht erzählen, dass man dreieinhalb Stunden braucht, um jemandem das Ergebnis eines anderthalbstündigen Gesprächs mitzuteilen.“ Er sehe auch keinen Grund, warum man Pohlmann nicht schriftlich informiert habe.
Opposition fühlt sich nicht ernst genommen
Am Dienstag nun steht bei der Ausschusssitzung ein Bericht des Umweltministeriums auf der Tagesordnung. Darin sollten die ersten, allgemeineren Fragen des Katalogs beantwortet werden. Gleich die erste Frage zielt auf die Rechtsgrundlagen von Verbraucher- und Tierschutz in Bayern.
Die Antwort des Ministeriums ist lang. Über 29 Seiten listet es Namen von Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen auf. Kommentarlos. Darunter etwa die „Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 über den Handel mit Robbenerzeugnissen“. Von Brunn fühlt sich da nicht wirklich ernst genommen. „Das Ziel ist doch klar“, sagt er. „Die wollen so viel Nebel erzeugen, dass man nichts mehr sehen kann. Das drückt sehr deutlich den Unwillen der Regierung zur Aufklärung aus.“
Immerhin eine Konsequenz hat die CSU-Regierung schon aus dem Skandal gezogen: Ab dem 1. Januar 2018 gibt es eine neue Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in Bayern, speziell zuständig für die Überwachung von rund 800 Großbetrieben. Zu diesen dürfte auch Bayern-Ei zählen. Denn die Firma hat mittlerweile zwar einen neuen Geschäftsführer, doch die Produktion läuft weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs