Untersuchung zu Fremdenfeindlichkeit: Deutsche haben wenig Mitleid
Eine Studie stellt zwar einen Rückgang der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland fest. Nachsicht und Solidarität mit Gescheiterten scheint jedoch vielen als verzichtbar.
BERLIN taz Zunächst die gute Nachricht: Die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ist in den vergangenen Jahren gesunken. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die das Soziologen-Team unter Leitung des Bielefelder Forschers Wilhelm Heitmeyer am Donnerstag in Berlin vorstellte.
Ein Beispiel: Stimmten im Jahr 2004 noch knapp 60 Prozent der Befragten voll oder zumindest teilweise der Aussage zu "Es leben zu viele Ausländer in Deutschland", waren es in diesem Jahr "nur" noch rund 55 Prozent. Ähnlich ist ist das Bild bei dem Satz: "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken." Hier sank die Zustimmungsquote von 36 Prozent auf knapp 30 Prozent.
Die nun schon seit 2002 jährlich als "Deutsche Zustände" veröffentlichten Studien geben einen Überblick darüber, wie die deutsche Gesellschaft gegenüber schwachen oder als schwach begriffenen Gruppen eingestellt ist. Dabei ist die Grundthese Heitmeyers, dass sich die Angst vor dem eigenen sozialen oder wirtschaftlichen Abstieg oft darin äußert, dass vermeintlich Schwächere abgewertet werden. Zugleich wachsen mit einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich sowie mit einer wachsenden Armut die Absturzängste und die Ressentiments gegenüber anderen.
Die Sache funktioniert aber auch anders herum: So konstatieren die Wissenschaftler eine in dieser Klarheit dann doch erstaunlichen Parallelität zwischen der Fremdenfeindlichkeit und dem Gefühl der Angst vor Arbeitslosigkeit beziehungsweise wirtschaftlichem Abstieg. Die zwei Kurven, die Fremdenfeindlichkeit und "Prekarität am Arbeitsmarkt" beschreiben, stiegen von 2002 bis 2006 parallel an, um seitdem ebenso parallel wieder zu fallen - hier wirkt sich auch die Konjunktur der vergangenen anderthalb Jahren aus. Positiv oder zumindest nicht negativer als 2006 sind meist auch die Zahlen bei den Themen Islamophobie, Homophobie, Sexismus, Rassismus und dem Hass gegenüber Behinderten. Einen schwachen Zuwachs gab es beim Antisemitismus und bei der Abwertung von Obdachlosen.
Gesellschaftlich desaströs aber sind die erstmals abgefragten Meinungen zu Menschen, die in der Wettbewerbsgesellschaft scheitern. So stimmen etwa ein Drittel der Befragten der Aussagen voll oder ein wenig zu: "Menschen, die wenig nützlich sind, kann sich keine Gesellschaft leisten." Noch höhere Werte finden die Aussagen: "Wir nehmen in unserer Gesellschaft zu viel Rücksicht auf Versager" und "Wir können uns in dieser Gesellschaft nicht zuviel Nachsicht leisten". Diese "ökonomistischen Einstellungen", so Heitmeyer, zeigten einen "forcierten Übergang von der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft" an. Es gebe "Hinweise auf die moralvernichtenden Effekte des dominierenden Marktes".
Was tun? Die Forscher um Heitmeyer wollen in die Offensive gehen und "interventionsnahe Lokalanalysen" starten. Das heißt, im kommenden Jahr soll in sechs west- und sechs ostdeutschen Kommunen mit den seit 2002 erprobten Instrumenten erfasst werden, wie die örtlichen Bedingungen für die Schwachen der Gesellschaft und das Denken über sie sind. Das Ziel dabei ist, den Gruppen der Zivilgesellschaft an den jeweiligen Orten Daten und Hinweise zu geben, wie sie etwa rassistische oder ausländerfeindliche Einstellungen zurückdrängen können. Ein Ort steht schon fest: Anklam im Nordosten der Republik. Hier werden 50.000 Euro in zwei Jahren investiert. Die Bundeszentrale für politische Bildung hilft dabei. Und ihr Präsident Thomas Krüger versichert: "Wir wollen da hin, bis wir gesiegt haben."
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