Untersuchung Hochhausbrand in London: Tränen löschen kein Feuer
Die öffentliche Untersuchung des Hochhausbrands von Grenfell Tower hat begonnen. Zum Auftakt versammeln sich die Überlebenden in Stille.
Es wird leise diskutiert, man sieht Kopfschütteln und Tränen. Die gedämpfte Stimmung gleicht dem Warten vor einer Trauerfeier. Dann beginnt endlich die Übertragung. Sir Martin Moore-Bick, pensionierter Richter und Vorsitzender des Ausschusses, eröffnet mit der Bitte um eine Schweigeminute. Im Saal und in der Kirche erheben sich alle. Nur Baulärm von irgendwo stört.
Die Untersuchung gelte den Opfern und denen, deren Leben sich für immer verändert habe, aber auch der Verhinderung weiterer Brandkatastrophen dieses Ausmaßes, erklärt Moore-Bick mit den präzisen Worten eines Richters. Zum einen geht es um die Frage, wie sich das Feuer so hatte ausbreiten können und wie es die Menschen im Hochhaus erlebten. Zum anderen geht es um die Umstände, die dazu führten, und die Reaktion der Behörden währenddessen und danach.
Auch Industrierichtlinien und die Kommunikation zum Brandschutz mit der Gemeindeverwaltung sind Thema. Tausende Dokumente sollen eingesehen, alle Überlebenden interviewt werden. Ein vorläufiger Bericht wird für die Osterzeit 2018 angestrebt, um dringend nötige Maßnahmen schnell umsetzen zu können. Doch insgesamt kann die Untersuchung länger dauern.
Thomasina, Anwohnerin
Unmittelbar zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen hat die Arbeit des Ausschusses nicht, auch Entschädigungen kann er nicht verlangen, stellt Moore-Bick klar. Eine polizeiliche Ermittlung laufe jedoch parallel weiter. Immer wieder betont der Vorsitzende den Gemeinschaftssinn in Notting Dale. Ein Symbol dessen seien die Kinder, die am Tag nach dem Inferno ihre Abschlussprüfungen hatten – und, so weit man weiß, größtenteils bestanden.
Als Moore-Bick nach einer Stunde endet, bleibt der Raum in der Kirche still. Erst vor dem Gebäude stellen sich einige Anwohner den Journalisten. Marcia, die in unmittelbarer Nähe zu Grenfell wohnt, trägt ein selbstgemachtes Kleid mit dem Wort „Mörder“ – „weil sie das sind“ – antwortet sie auf Fragen. Sie versteht nicht, wieso sie bis Ostern auf Antworten warten soll, „während die Opfer immer noch keine Unterkunft haben und Hilfe nur so unendlich langsam kommt“. Ihre beiden Kinder, die alles mitangesehen haben, sind jetzt in Therapie.
Thomasina, die ein Sweatshirt mit dem Wort „Grenfell“ und einem bunten Herz trägt, ist zuversichtlicher. „Ich mochte die Menschlichkeit des Richters. Er fand für mich die richtigen Worte, indem er unsere Community und das, was sie mitmachen muss, direkt ansprach. Ich glaube, er wird als Unabhängiger wirklich alle Unterlagen prüfen.“ Doch eine andere Anwohnerin, Muna El-Ogbani, ist verunsichert. Sie weiß nicht, ob sie dem Ausschuss vertrauen kann.
Am Abend wollten sich die Anwohner gemeinsam zu einem Schweigemarsch um den verkohlten Tower versammeln. Eine gemeinsame Stimme, ganz ohne Worte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!