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Unterschiedliche PrioritätenImpfen nach Gusto

Am Montag beginnen die Schweinegrippe-Impfungen. Von bundeseinheitlichem Vorgehen kann keine Rede sein - vor allem bei Schwangeren nicht.

Zuerst für Risikogruppen: Eine Spritze mit Grippe-Impfstoff wird aufgezogen. Bild: dpa

"Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt" - und hoffen, dass dieser eine Antwort hat. Dies gilt insbesondere ab Montag, wenn in ganz Deutschland die Schweinegrippe-Impfungen beginnen, nach "bundeseinheitlichem Vorgehen", wie es der Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde nennt.

Fast "ganz Deutschland" und fast "bundeseinheitlich", muss man sagen. In Niedersachsen dauert es ein paar Tage länger, bis der Stoff in der Spritze ist. Und während in Bremen und Hamburg zunächst nur einige Berufsgruppen - Feuerwehr, Gesundheitspersonal, Polizei - geimpft werden, bitten Niedersachsen und Schleswig-Holstein auch die als Risikogruppen Identifizierten zum Pieks: Chronisch Kranke und Schwangere.

Die kommen in den Stadtstaaten erst als zweite Gruppe dran und erst danach die "Normalbevölkerung". Noch ein Unterschied: Während man in den Flächenstaaten in der Regel zu seiner Hausärztin gehen kann, haben die Hansestädte Verträge mit Schwerpunktpraxen abgeschlossen. In Bremen sollen diese 1.250 Menschen wöchentlich immunisieren. Dahinter steckt finanzielles Kalkül, wie die Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin, Petra Kodré, erklärt. "Die Kassen zahlen nur für das, was tatsächlich verimpft wurde." Laufen in einer Praxis weniger Patienten auf als Medikamente vorhanden sind, verdirbt der Impfstoff - und das Land muss zahlen.

Grippe in anderen Umständen

Bei mit Schweinegrippe infizierten Schwangeren sind weltweit Todesfälle und Klinikeinweisungen häufiger; die Datenbasis ist aber klein.

Geimpft werden sollte zwischen dem vierten und sechsten Monat, da vorher die Kindesentwicklung besonders störungsanfällig ist.

Überall gleich ist hingegen eins: Die Verunsicherung von Schwangeren. Die hören und lesen seit Wochen, dass sie einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, durch die Schweinegrippe schwer oder sogar tödlich zu erkranken. Gleichzeitig wird ihnen von der Impfung abgeraten, weil der Impfstoff zu schwerwiegende Nebenwirkungen haben könnte. Fragt man bei den Gesundheitsbehörden, was sie in diesem Fall den Schwangeren raten, heißt es in Hamburg: "Wir halten uns an die Empfehlungen der ständigen Impfkommission." Das klingt gut, sagt aber nichts aus, da die Berliner Kommission, abgekürzt Stiko, empfiehlt, Schwangeren einen Impfstoff ohne die sogenannten Wirkungsverstärker zu verabreichen. Den aber besitzen die Bundesländer nicht. "Wir warten die Entwicklung eines neuen, für Schwangere geeigneten Impfstoffs ab und raten ihnen zunächst nicht zur Impfung", sagt Kodré für das Bremer Gesundheitsressort. Eine Ausnahme bildeten die Frauen, die zusätzlich gesundheitlich beeinträchtigt sind, etwa durch Asthma. Diese sollten gemeinsam mit Ärztin und Partner abwägen, ob die Impfung in ihrem Fall sinnvoll sein könnte.

In den anderen drei nördlichen Bundesländern hingegen wird Schwangeren generell zur Impfung geraten. Fragt man dann näher nach, heißt es allerdings meist: "Das ist jeweils eine Einzelfallentscheidung." So sagt es etwa Gabriele Andersen, die als Betriebsärztin am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) ab Montag das Klinikpersonal impfen wird. Unter den 5.000 Angestellten, die Kontakt mit Infizierten haben könnten - darunter auch Reinigungskräfte und Krankentransporteure - werden sich auch einige Schwangere befinden. "Das ist ein schwieriges Kapitel", sagt Andersen - und dass sie keinen pauschalen Rat geben kann. "Wir werden darum bitten, mit dem behandelnden Arzt zu klären, ob die Impfung sinnvoll ist", sagt die Medizinerin. Sollte die Gynäkologin der Ansicht sein, dass die Schwangerschaft schon ohne Impfung kompliziert genug ist, wäre sie vorsichtig. Das Problem: Es gibt keine festen Kriterien, nach denen die Frauenärzte entscheiden können. Und als Impf-Experten sind sie auch noch nicht aufgefallen, da während einer Schwangerschaft normalerweise gar nicht geimpft wird.

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