Unternehmer auf dem Land: Gefangen im dunkelblauen Funkloch
Schon das Versenden einer E-Mail kann eine Stunde dauern. Für Unternehmen heißt das: Wegziehen. Oder Notlösungen finden.
Adlers Unternehmen sitzt in Friedrichsmoor, einem Ort in Mecklenburg-Vorpommern, nahe Schwerin. Die Mitarbeitenden fertigen in dem roten Backsteingebäude Gutachten an. Wird eine Straße geplant, neu gebaut oder saniert, erstellen sie ein Erneuerungskonzept oder überprüfen die Planungen. „In der Regel passiert das mit großem zeitlichen Druck“, sagt Adler. Manche Auftraggeber hätten die Gutachten am liebsten noch am selben Tag – natürlich per Mail.
Doch das kann schwierig werden, denn das Friedrichsmoorer Unternehmen ist nur über einen ISDN-Anschluss mit dem Internet verbunden. ISDN war einst komfortabel für alle, die zu Hause mit mehreren Telefonen über unterschiedliche Nummern erreichbar sein wollten. Für das Versenden von Dateien oder auch nur das Surfen im Netz ist es aber eher unpraktisch. Eine bis anderthalb Stunden könne das Versenden einer E-Mail mit Anhang schon mal dauern, sagt Adler. „Die Städter denken immer, das kann man doch schnell mal verschicken, aber so ist das eben nicht.“
Im Breitbandatlas des Verkehrsministeriums ist der Großteil von Friedrichsmoor schon bei einem Megabit pro Sekunde dunkelblau gefärbt. Das heißt: Null bis zehn Prozent der Haushalte kommen auf diese Geschwindigkeit. Eine Umfrage der IHK Karlsruhe kam aber bereits 2014 zu dem Ergebnis: Für 60 Prozent der Unternehmen hat die Verfügbarkeit von schnellem Internet großen oder entscheidenden Einfluss auf die nächste Standortwahl. Der Breitbandanschluss rangierte damit an erster Stelle, noch vor der Verkehrsanbindung oder der Miete.
Einen Umzug erwägt Adler dennoch nicht. Ein neues Gebäude würde ein paar Millionen kosten, bereits getätigte Investitionen seien dann verloren. Eine schnellere Anbindung sei aber derzeit nicht in Sicht. Er habe bereits mit den großen Telekommunikationsanbietern gesprochen – doch die hätten abgewinkt. Ein Ausbau lohne sich an der Stelle einfach nicht, zu abgelegen, zu teuer. Angebote, bei denen er die Finanzierung selbst hätte mitstemmen müssen, habe er abgelehnt.
Die MitarbeiterInnen behelfen sich daher mit Notlösungen. Große Gutachten mit vielen Seiten und Grafiken werden aufgeteilt und in mehreren E-Mails versendet. Dauert auch, aber so kämen sie zumindest an. Bei ganz wichtigen Inhalten heißt es: Hinterhertelefonieren. Um sicher zu gehen, dass der Empfänger die Sendung tatsächlich erhalten hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!