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Unterm Strich

Die Kommunisten“ von Jörg-Michael Koerbl kommen zum Saisonauftakt 1990/91 als Uraufführung auf die Bühne des Deutschen Theaters in Ost-Berlin. Collagiert mit eigens für die Inszenierung geschriebenen Liedern von Peter Hiller und gespielt von der Rock-Band „Earl of East“, berichtet die Tragikomödie des Autors über eine Widerstandsgruppe. Ihre Mitglieder schlagen sich im April 1945 in Berlin, verstrickt in Utopie und Parteidisziplin, mit dem „Störfaktor Mensch“ herum, während die aus Moskau zurückgekehrten Funktionäre längst „Realpolitik“ machen, heißt es in einer Ankündigung des Theaters. Regie führt Michael Jurgons. Andere geplante Neuinszenierungen: Kleists „Der zerbrochene Krug“ (Regie: Thomas Langhoff) und Ibsens „John Gabriel Borkman“ (Regie: Frank Castorf). Auch

von Heiner Müller wiederum eine Regiearbeit am Deutschen Theater, wie es heißt, für ein eigenes Stück. Für Intendant Dieter Mann wird die kommende Spielzeit die letzte sein. Er will sich wieder verstärkt seinem Schauspielerberuf widmen. Als möglicher Nachfolger wird Thomas Langhoff gehandelt.

Der „Alte Markt“, einst belebtester Treffpunkt Potsdams, ist zur Zeit Gegenstand hitziger Auseinandersetzungen. Auf dem Platz steht eine Bauruine, mit der die Potsdamer nichts anzufangen wissen: In grauem Beton ragen bis zu 28 Meter hoch die „Gleitkerne“ eines Stadttheaters, das keiner mehr so will. Eine vernünftige Lösung ist nicht in Sicht. Das ursprüngliche Bild des Platzes bildeten das Stadtschloß mit angrenzendem Lustgarten (Lieblingsaufent

halt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm), die Nikolaikirche (kirchliches Hauptwerk Schinkels), das im holländischen Stil erbaute Rathaus sowie das Palais Barberini, namentlich der Lieblingstänzerin Friedrichs des Großen gewidmet. Direkt an der Havel und der Freundschaftsinsel gelegen, hatten sich hier auch Handwerker, Kleingewerbetreibende und das Bürgertum mit Häusern niedergelassen. Die moderne Bauruine steht gegenüber der Nikolaikirche, auf dem Grundstück des im Krieg ebenso wie das Stadtschloß zerstörten Palais Barberini. Die Diskusson um die architektonische Gestaltung des „Alten Marktes“ und einen Theaterneubau reicht dabei schon Jahrzehnte zurück. In den sechziger Jahren kamen Experten zu dem Ergebnis, daß der Platz für eine „Mehrzweck -Kulturhalle“ nicht geeignet sei. Das kümmerte jedoch die SED we

nig, der Bau wurde beschlossen, schließlich sollte der historische Platz krönender Schlußpunkt von Mai -Demonstrationen werden. Hinzu kam, daß das Ensemble des Hans-Otto-Theaters schon seit langem bessere Arbeitsbedingungen forderte - das Potsdamer Schauspielleben findet bis heute in einem Ende der 50er Jahre renovierten Tanzlokal statt. Um zumindest den Schein von Demokratie zu wahren, forderte man im Herbst 1988 Architekten, Städteplaner und Künstler zur Kritik auf. „Es konnten alle alles sagen, umgesetzt wurde nichts“, erinnert sich der Architekt Stefan Weiß, den der Verband Bildender Künstler zu den Gesprächen delegiert hatte. Auch die massiven Bedenken des damaligen DDR-Kulturministers Hans-Joachim Hoffmann blieben ungehört. Denn der Entwurf des Architekten Günter Franke, der sich bei den SED-Genos

sen durch den Bau des Flughafens Schönefeld und die Mitwirkung am Ost-Berliner Fernsehturm ausgezeichnet hatte, besitzt nach Meinung seiner Kritiker den Charme eines Bürohauses der 60er Jahre. Ungeachtet der massiven Kritik auch des Bundes der Architekten der DDR erhielt das Bau- und Montagekombinat den Bauauftrag, und noch während der Zeit des Umbruchs in der DDR wurden praktisch vollendete Tatsachen geschaffen. Rund 16 Millionen Mark sind bis jetzt verbaut. Der dritte sogenannte „Gleitkern“, der den Zuschauerraum darstellt, wurde sogar noch flugs vor den Kommunalwahlen im Mai errichtet, obwohl die oppositionellen Gruppen am Runden Tisch in Potsdam sich vehement für einen Baustopp eingesetzt hatten. Auch die Eigentumsverhältnisse des Grundstücks, auf dem die Fragmente stehen, sind ungeklärt: Es gibt

keine Eintragung im Grundbuch, und die Kosten für eine Fertigstellung des Objekts schossen inzwischen von rund 77 Millionen DDR-Mark auf 112 Millionen in die Höhe. Außerdem droht den Stadtvätern bei einem Baustopp eine saftige Konventionalstrafe. Gleichzeitig sitzt ihnen das Ensemble des Hans-Otto-Theaters im Nacken, das dringend eine zumutbare Bühne braucht, während aufgebrachte Potsdamer unverhohlen einen Abriß dieses Relikts aus der „Stasi -Diktatur“ fordern. Doch auch der würde rund 20 weitere Millionen Mark kosten.

Zum 15. Mal North Sea Jazz Festival in Den Haag, und die Mammut-Show des Jazz ist größer denn je. Was sich an den vier Tagen vom 12. bis 15. Juli auf dem Kongreßgelände an Strand von Scheveningen tummelt, liest sich wie das Register eines zeitgenössischen

Musik-Lexikons: Ella Fitzgerald, Ray Charles, Miles Davis, Dizzy Gillespie, Max Roach, Lionel Hampton, Dave Brubeck, Al Jarreau, Etta James, Cab Calloway, Jack de Johnette, Herbie Hancock, Brandford Marsalis, Modern Jazz Quartett - um nur die prominentesten der insgesamt 150 Gruppen (mit über 1000 Musikern) zu nennen. In der Abteilung Blues gastieren außer den Größen B.B.King und John Lee Hooker unter anderem Dr.John und die Neville Brothers, als Gitarreros greifen u.a. Jan Akkerman, Philip Catherine, John McLaughlin und der Funk-Rocker Johnny Guitar Watson in die Saiten, zahlreiche Big Bands, vom Count Basie Orchestra bis zum Willem Breuker Kollektief geben sich die Ehre und Latin live präsentieren u.a. Irakere aus Cuba und

die brasilianische Pianistin Tania Maria. Für einige der Superstars ist ein Top-Zuschlag fällig, ansonsten kostet die Tageskarte 75 Gulden, der Festivalpaß 275 Gulden. Preiswerte Übernachtungsmöglichkeiten bietet ein nahegelegenes Sleep -In. Kartenvorbestellungen in Deutschland unter Telefon 0203/23164, Festival-Infos unter 0031/70/3542958.

Starke Stücke '90: So heißt ein Treffen experimenteller Theatergruppen aus München und Berlin vom 7. bis 22. Juli auf dem Münchner Olympiagelände. Neun Münchner Gruppen zeigen 10 Uraufführungen, aus West-Berlin kommen vier Gruppen und Amina Gussner reist mit einer der wenigen experimentellen DDR-Theatergruppen, der „Lautlinie“ aus Ost -Berlin an.

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