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Unterm Strich

Begriffe aber wie „bloße Existenz“ oder etwa „zum Sprechen gebracht werden“ knüpfen an den vom französischen Geschichtsphilosophen und Auschwitz-Spekulanten Alain de Benoist geführten Diskurs um die Verleugnung solcher Stätten an — als gelte es, nicht der Jugend einen Zugang zur Geschichte zu erhalten, sondern viel mehr die Opfer gegen ihre Leugner zu verteidigen. Einmal unter diesem Beweisdruck in den Strudel der zwielichten Verwertbarkeit geraten, müssen sich fast alle Metaphern krümmen: „Im Umgang mit den Gedenkstätten zeigt sich die politische Kultur unseres Landes“, heißt es wenige Zeilen später. Die Regierungskoalition aber will deren Erhalt nur noch zehn Jahre fördern.

Draußen wird inzwischen das Pfeifen merklich lauter. Die Kolleginnen haben abgefrühstückt, zu Trommeln gegriffen und blockieren jetzt mit ausgerolltem Transparent die Straßenkreuzung. Autohupen fällt in den irgendwie nach Samba- und Südseezauber klingenden Rhythmus ein, nach fünf Minuten ist alles vorbei. Die männlichen Mitarbeiter, die zuvor feixend aus dem Fenster zugeguckt haben, sind enttäuscht: „Das war ja eine kurze Sache“, hört man es von den hinteren Rängen zahnlos murren, wie aus den Mündern der Muppet-Puppen Waldorf & Statler.

Während dessen gibt es noch mehr fantastische Männergeschichten zu vermelden: Der Neue Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg heißt Helmut Beck, und habe sich besonders als Fachmann für Skulptur und Plastik für den Museumsposten empfohlen.

Dagegen lehnt der Museumsdirektor Jens Kristian Thune in Oslo die Forderungen von umgerechnet 1,7 Millionen Mark Lösegeld für den entführten „Schrei“ von Edvard Munch rigoros ab: Verhandeln mag er schon, doch sollten die Bedingungen beibehalten werden, „dann sind die Türen verschlossen.“ In der verschrobenen Kidnapping-Aktion hat sich derweil ein Anwalt eingeschaltet, der offenbar Kontakt zu den Erpressern hält. Von diesem Mittelsmann will Tune wenigstens glaubhafte Beweise vorgelegt haben, daß er tatsächlich im Auftrage irgendeines Mandanten handele — vielleicht ein Foto, das bezeugt, wie gut es dem Bild bei den Entführern geht? Oder, ganz klassisch, einen Leinwandzipfel in Ohrform?

Seit zwanzig Minuten ist es still auf der Straße. Und auch die letzte Meldung kennt nur einen Helden: „Ein leibeigener Bauernsohn schuf die ukrainische Nationalkultur“ berichtet uns Friedemann Kohler von dpa. Gemeint ist der Dichter-Maler Taras Schwetschenko, der am 9. März 1814 zur Welt kam. Wegen seines Maltalents kauften ihn kunstbegeisterte Gönner in St. Petersburg als 24jährigen frei. Später fiel er aufgrund seiner national-bewußtseinsfördernden Vorstellungen in Ungnade, wurde in Verbannung geschickt und starb 1861 begnadigt, aber verbittert. So sind sie eben.

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