Unterfinanzierter öffentlicher Verkehr: Sanierung vor Neubau
Kommunen haben zu wenig Geld für bestehende Straßenbahnen und Busse. Bund und Länder dürfen bisher nur Neubaustrecken unterstützen.
BERLIN taz | Wenn auch in Zukunft Busse und Bahnen zuverlässig durch Deutschlands Städte rollen sollen, müssen jetzt schnell die Weichen gestellt werden. Diese Ansicht vertritt zumindest der ökologische Verkehrsclub Deutschlands (VCD).
Wichtige Regelungen zu Planung und Finanzierung des Nahverkehrs liefen im Jahr 2019 aus, sagte VCD-Chef Michael Ziesack am Dienstag in Berlin. „Wenn sich Bund und Länder nicht schnell auf Nachfolgeregelungen einigen, droht Stillstand in den Kommunen.“ Ohne langfristige Planungssicherheit könne niemand neue Projekte in Angriff nehmen.
Nach Ansicht des VCD muss die Förderung des Ausbaus der kommunalen Infrastruktur anders geregelt werden. Bisher darf der Bund nur den Aus- und Neubau fördern, nicht aber die Sanierung, etwa von Straßen- oder U-Bahn-Verbindungen Auch hier müssten künftig Bund und Ländern die Kommunen unterstützen, so der VCD. „Viele Kommunen sind sonst überfordert“, sagt Ziesack. Es könne nicht sein, dass U-Bahn-Linien verkürzt würden, weil sich eine Kommune nicht mehr die Sanierung eines Tunnels leisten könne.
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnt vor einem Wegfall wichtiger Zuschüsse des Bundes für den kommunalen Nahverkehr, wie ihn das Bundesfinanzministerium angekündigt hat. „Sollten die Bundeszuschüsse gestrichen werden, müssten die Kommunen sämtliche Investitionen in den ÖPNV allein tragen“, sagt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle.
Keine Fahrpreiserhöhung
„Schon jetzt haben wir einen Investitionsrückstand von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, der stetig anwächst“, so Behle. Viele Verkehrsleitsysteme und -anlagen stammten aus den 80er Jahren und müssten dringend erneuert werden. Täglich nutzten bis zu 27 Millionen Menschen den öffentlichen Nahverkehr; damit würden Straßen und die Umwelt entlastet.
Der VCD fordert auch, neue Wege bei der Nahverkehrsfinanzierung zu gehen. Eine deutliche Erhöhung der Fahrpreise sei nicht möglich, da damit Kunden verloren gingen, so Ziesack. Es müsse aber möglich sein, dass Kommunen einen „Nahverkehrstaler“ einführen, um das Angebot zu verbessern.
In diesem Fall müsste jeder Bürger eine Abgabe – unbürokratisch an die Grundsteuer gekoppelt – zahlen, damit Busse und Bahnen fahren. „Damit werden nicht nur die Nutzer, sondern auch die Nutznießer an der Nahverkehrsfinanzierung beteiligt“, sagt Ziesack. Zum Beispiel profitierten Gewerbetreibende vom Nahverkehr, da er Kunden oder Patienten zu ihnen bringe. Zudem entlastet der öffentliche Personennahverkehr Straßen und zentrale Parkplätze, etwa an Bahnhöfen.
Prinzipiell muss nach Ansicht des Verkehrsclubs der ÖPNV eine kommunale Pflichtaufgabe sein, da er eine wesentliche gesellschaftliche Funktion hat, nämlich Teilhabe für alle Bürger garantiert. Den Umfang des ÖPNV sollten Städte, Gemeinden und Landkreise festlegen. Andernfalls droht laut Verkehrsclub, dass bei Haushaltsnotlagen das Angebot wegfällt oder zu stark eingeschränkt wird.
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