piwik no script img

Unterbringung von FlüchtlingenWohnen statt turnen

Weitere Turnhallen werden zu Notunterkünften. Alle Bezirke sollen Kapazitäten melden. Die Asylsuchenden werden nur "geparkt", kritisiert der Flüchtlingsrat.

Eröffnung verzögert: das Containerdorf in Köpenick kann noch keine Flüchtlinge aufnehmen. Bild: dpa

Kurz vor Weihnachten ist das Chaos beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) perfekt: Immer mehr Turnhallen werden zu Notunterkünften für Flüchtlinge umfunktioniert. Nach der TU-Sporthalle in Charlottenburg beschlagnahmte das Amt am Wochenende eine Halle der FU in Dahlem. Eine Sportstätte des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) in Reinickendorf soll nun ebenfalls belegt werden, sagte der zuständige Sozialstadtrat Andreas Höhne (SPD) am Montag der taz.

Noch Anfang November hatte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) öffentlich erklärt, Berlin wolle weder Zelte noch Turnhallen zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen. Das entsprach allerdings schon damals nicht der Realität: Bereits Anfang September war die EJF-Halle in Reinickendorf für einige Wochen als Notunterkunft für rund 60 Flüchtlinge eingerichtet worden. Inzwischen ist man auch offiziell vom Diktum „Keine Turnhallen“ abgerückt: Alle Bezirke wurden vom LaGeSo aufgefordert, Sporthallen zu melden, in denen derzeit „keine Lehrtätigkeit“ stattfindet.

Menschen abgewiesen

Doch nicht nur bei der Unterbringung ist das LaGeSo überfordert: Viele Flüchtlinge, die derzeit in Berlin ankommen, werden nach Aussage des Flüchtlingsrats in den Hallen oder Heimen „zwischengeparkt“, ohne dass ihnen weitergeholfen wird. „Ehrenamtliche berichten uns laufend, dass Leute keinen Krankenschein und kein Taschengeld bekommen. Zudem werden Asylanträge oft gar nicht mehr angenommen“, sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat. Die Menschen bekämen einen Termin zur Wiedervorsprache – und würden wieder abgewiesen. Damit aber steige die Überforderung des LaGeSo weiter an, zum Berg der nicht bearbeiteten Fälle kämen ja täglich neue hinzu. „Das Problem ist hausgemacht“, kritisiert Mauer.

Das LaGeSo begründet die Requirierung von Turnhallen mit dem „außergewöhnlich hohen Zugang von Asylsuchenden“. Von 2013 auf 2014 hat sich die Zahl der Asylbewerber, die Berlin zugewiesen werden, verdoppelt: von rund 6.000 auf mehr als 12.000 bis Mitte Dezember. Seit dem Sommer wurden elf neue Wohnheime eröffnet und 2.635 neue Plätze geschaffen.

Die Eröffnung des ersten von sechs geplanten Containerdörfern verzögert sich derweil erneut. Ursprünglich sollte die Einrichtung für 400 Menschen in Köpenick Anfang Dezember eröffnen, dann hieß es Mitte des Monats, dann 23. Dezember. Doch noch fehlten Dokumente, so die LaGeSo-Sprecherin. Insgesamt sei man aber „vollkommen im Zeitplan“. Alle sechs Containerdörfer sollen innerhalb des ersten Quartals 2015 errichtet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!