: Unsoziales Sparen
■ Grüne, PDS und FDP kritisieren Nachtragshaushalt: Zu spät und unsozial / Staffelt: Arbeits- und Sozialetat kaum angetastet
„Ein aufgeschreckter Hühnerhaufen hat ein faules Ei geboren.“ So kommentierte gestern die PDS die Ergebnisse der Senatsklausur von Anfang der Woche. Die Regierung, sagte Fraktionschef Harald Wolf vor dem Parlament, habe bisher kein Konzept für den Doppelhaushalt 1995/96 vorgelegt, in dem über sechs Milliarden Mark gespart werden müssen. Statt dessen würden Löcher gestopft. Wolf betonte, daß für Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) und den Senat die miserable Haushaltslage – außer der überraschenden Kürzung der Berlinhilfe und des Bonner Kulturzuschusses – absehbar gewesen sei. Doch der Senat habe nicht handeln wollen.
Für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen kommt der Nachtragshaushalt ebenfalls „halbherzig und zu spät“. Arnold Krause, haushaltspolitischer Sprecher, forderte, daß mit dem Parkraumbewirtschaftungskonzept (siehe auch Seite 21) noch in diesem Jahr 100 Millionen Mark eingenommen werden müßten. Bei der Polizei solle endlich die teure 12-Stunden- Schicht durch eine 8-Stunden- Schicht ersetzt werden. Mit dieser Umstrukturierung könnten mehrere hundert Stellen eingespart werden. Statt im Sozialbereich zu kürzen, solle auf den Bau der Olympia-Schwimmhalle in der Landsberger Allee und des Straßentunnels unter dem Tiergarten, der in diesem Jahr bereits mit 200 Millionen Mark zu Buche schlägt, verzichtet werden. Axel Kammholz, Nachfolger der FDP-Fraktionschefin Carola von Braun, kritisierte, daß mit 570 Millionen Mark knapp die Hälfte des gesamten Nachtragshaushaltes nur dadurch zustande komme, daß Bauinvestitionen verschoben werden. So spare man keine einzige Mark.
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, der mit der CDU- und SPD-Fraktionsspitze an der Senatsklausur teilgenommen hatte, wertete die Ergebnisse erwartungsgemäß als Erfolg. Auf die Kritik der Opposition ging erst der Fraktionschef der SPD, Ditmar Staffelt, ein. Er widersprach dem Vorwurf von „schwersten Einschnitten im sozialen Bereich“. Der Etat der Arbeitssenatorin werde um keine einzige Mark reduziert. Im sozialen Bereich würden zwar 20 Millionen Mark eingespart, doch davon entfielen 18 Millionen Mark nicht auf die Einschränkung sozialer Leistungen, sondern auf Bauprojekte, die man verschoben habe. Beim Telebus, dem Fahrdienst für Behinderte, würden 600.000 Mark gestrichen, aber über 32 Millionen Mark weiterhin gezahlt. Den Grünen und der PDS warf er vor, daß deren Vorschläge lediglich ausreichen würden, um „1,35 Prozent der gesamten Haushaltslücke“ zu schließen. Dirk Wildt
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