: Unsichtbares Gepäck
„Stroh zu Gold“: Regina Hellwig-Schmidt verarbeitet in ihrer Installation im Kunstraum des Museums der Arbeit Erfahrungen von MigrantInnen
Es ist ein Thema, passend zur Reisezeit, wenn es auch den Bogen wesentlich weiter spannt und vorrangig unfreiwilliges Verlassen des Lebensmittelpunkts zum Thema macht: Das Museum der Arbeit beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausstellung Titel Stroh zu Gold mit einem der gewöhnlichsten und zugleich misteriösesten Gegenstände, unseres Alltagslebens – dem Koffer. Koffernotizen mannigfaltigster Artumfasst daher die zentrale Installation im Kunstraum des Museums, die die soziokulturell engagierte Künstlerin Regina Hellwig-Schmid im zweiten Stock des Barmbeker Fabrikgebäudes aufgestellt hat.
Im Jahr 2000 hat sie sich international mit dem Milleniumsprojekt Pax Danubiana einen Namen gemacht. Damals bat sie 1.500 Künstler aus Donau-Anrainerstaaten, Nachrichten zur Völkerverständigung als Flaschenpost dem zweitgrößten Strom Europas zu übergeben. Ein ähnlicher Gedanke liegt der Hamburger Ausstellung zugrunde: Im Jahr 1993 begann die Künstlerin, in unzähligen Interviews Migrantengeschichten über Flucht, Vertreibung und Heimatverlust zu sammeln, Lebensläufe zu protokollieren und den Inhalt der Fluchtkoffer aufzulisten. Einige der Interviewten überließen der Künstlerin ihre Reisebegleiter, die sie dann als Installation arrangierte und um die Gesprächsnotizen der vergangenen zehn Jahre ergänzte.
Die knappen Notizen und sorgfältig angefertigten Packlisten verdichten sich zu einem schemenhaftem Gesamtbild der Persönlichkeit der ehemaligen Besitzer. Schemenhaft, flüchtig und doch massiv wirken auch die Kofferbilder, die die Künstlerin seit 1996 anfertigt. Die Kohlezeichnungen und großformatigen Gemälde auf Leinwand oder altem Papier zeigen immer neue Variationen ihrer Grundidee – den Koffer als Chiffre für Abschied und Ankommen, Fremdheit und Wurzelschlagen, Spurensuche und Erinnerung zu begreifen. So entstand 2001/2002 eine Serie blauer Bilder mit dem Titel Unsichtbares Gepäck in Anlehnung an die Mühsal afghanischer Frauen, die ihr Hab und Gut während der Flucht unter ihren blauen Burkas trugen.
Immer neue Fragen wirft Regina Hellwig-Schmids Arbeit auf, die Antworten bleiben in den verschlossenen Koffern versteckt. Zumindest kommentiert die Regensburgerin ihr Werk auf ironische, fast zynische Weise mit der Installation Stroh zu Gold: Abseits der übrigen Arbeiten findet man eine überquellende Truhe, die statische Verwandte des Reisebegleiters. Sie ist gefüllt mit Stroh.
JAKOB KIRCHHEIMER
Mo 13–21, Di–Sa 10–17, So 10–18 Uhr; Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, bis 2.11.