SCHON WIEDER KAMERAS : Unsichtbare Filmstars
Ein Filmteam stand heute Nachmittag auf dem Mauerweg in Pankow. „Können Sie bitte da an der Seite langfahren?“, zwitscherte die junge Assistentin, die bestimmt nur dafür da war, pissige Radfahrer aus dem Weg zu räumen. Auf der Grünfläche daneben saßen zwei Menschen unter einem Sonnenschirm am Frühstückstisch, und drum herum standen etwa 20 andere Menschen mit so Puschelmikrofonen und Kameras und Abblendscheiben. Im Hintergrund rauschte die S-Bahn vorbei.
„Manchmal geht mir dieses junge, kreative Berlin so was von auf die Eier“, sage ich abends zu meinem Kollegen Ivo, „deshalb bin ich ja damals aus Prenzlauer Berg weg, weil ich nich mehr bei jedem Milchkaufen in irgendwelche Dreharbeiten reinrennen wollte.“ Ivo nickt und saugt einen Mundvoll Bier aus der Flasche. Ivo wohnt am Hackeschen Markt. Der rennt täglich irgendeiner Kamera ins Bild. Auf wie vielen Kilometern weggeschnittenem Film der wohl schon drauf ist? Allein bei „Lola rennt“ ist es bestimmt eine halbe Stunde. Ivo, der unsichtbare Filmstar. Neulich hat er mal so eine Filmtruppe richtig zusammengeschissen, erzählt er. „Da hatte ich eh schlechte Laune an dem Tag. Und dann war wieder die halbe Straße gesperrt. Da hab ich die angeschnauzt: Ihr mit eurem Scheißfilm, für den sich keine Sau interessiert, den kein Schwanz gucken wird und der euch nur finanziell ruiniert, könnt ihr nicht einfach Hartz IV beantragen, ohne vorher die halbe Stadt zu stressen?“ Ivo trinkt aus. Die Pause ist vorbei.
Wir müssen zurück auf die Bühne. Die Lesebühne Lokalrunde wird nämlich heute gefilmt von Alex TV. Ivo Lotion macht dann später Videos draus. Vorhin hat er schon ein Interview mit mir auf der Straße gemacht. Arkonaplatz, Mitte, tolle Kulisse. Bloß blöd, dass uns ständig Passanten ins Bild gerannt sind. Muss Ivo nachher alles rausschneiden. LEA STREISAND