: „Unsere Verfassung erlaubt keine Opposition“
■ Suharto-Gegnerin Megawati Sukarnoputri über die kommenden Wahlen in Indonesien
taz: Was unterscheidet diese Wahlen von den früheren?
Megawati Sukarnoputri: In der Vergangenheit hatten die Menschen, vor allem in den ländlichen Gebieten, viel mehr Angst. Diesmal ist das anders: In Jakarta und an vielen Orten haben sich die Leute an Aktionen beteiligt, auch an gewaltsamen.
Glauben Sie, daß die Gewalt nach den Wahlen zunehmen wird?
Die Unzufriedenheit im Land wächst. Ich habe die Regierung gewarnt, als sie im vorigen Jahr versuchte, mich als Vorsitzende der „Demokratischen Partei Indonesiens“ zu stürzen: Wenn sie das tun, sagte ich, wird dies eine Tragödie für die indonesische Republik werden. Denn es gibt eine neue Generation von mehr als 40 Millionen Indonesiern. Sie haben ihren eigenen Willen, ihre eigene Hoffnung, ihre eigenen Vorstellungen.
Wie sollten Ihre Anhänger wählen?
Diese Wahlen sind geheim. Jeder hat das Recht als Bürger, zur Wahl zu gehen. Niemand ist dazu verpflichtet. Ich jedenfalls werde mich nicht beteiligen.
Ihre Partei ist nach Ihrem Hinauswurf gespalten. Wie sind Ihre weiteren Pläne?
Wir müssen uns auf die Präsidentschaftswahlen im März 1998 vorbereiten. Danach werden wir einen Parteikongreß einberufen.
Aber Sie sind nicht mehr Parteivorsitzende.
In Indonesien ist es nicht so wichtig, ob man eine formale Führungsposition hat. Ich habe sehr viele Leute, die mich unterstützen.
Ab Juni werden Sie keine parlamentarische Immunität mehr besitzen. Dann riskieren Sie, ins Gefängnis geworfen zu werden.
Das Risiko habe ich schon jetzt jeden Tag. Ich werde von Polizei und Staatsanwaltschaft vorgeladen und verhört, obwohl ich Abgeordnete bin.
Nach Ihrer Absetzung haben Sie viele Klagen eingereicht...
Über hundert davon sind bisher behandelt worden. In vielen Fällen haben wir verloren. Aber darum geht es nicht. Wir zeigen damit der Bevölkerung, was für eine Justiz wir haben, was für Urteile die Richter sprechen.
Kritiker werfen Ihnen vor, daß Sie nur auf dem Rechtsweg kämpfen. Warum gehen Sie nicht auf die Straße?
Natürlich gibt es viele Leute, die darauf warten, daß ich radikaler werde. Aber das ist sehr schwierig. Sehen sie, in der kurzen Zeit des Wahlkampfs hat es an einigen Tagen schwere Auseinandersetzungen gegeben. Überall ist die Furcht vor Gewalt gewachsen. Wir haben so viele Inseln, so viele Ethnien, so viele lokale Sprachen. Die Einheit des Landes kann leicht gefährdet werden.
Wie wird Suharto auf wachsende Opposition reagieren
Ich glaube, niemand in Indonesien kann den Wandel aufhalten. Wir stehen vor den Präsidentschaftswahlen. Niemand weiß, was geschehen wird.
Wie sehen Sie Ihre Rolle in der indonesischen Politik?
Das ist eine typisch westliche Frage. In meiner Kultur kann ich nicht sagen, was ich selbst bin. Das wäre äußerst unhöflich. Die Menschen müssen entscheiden, was ich für sie bin.
Vor einem Jahr sagten Sie von sich: „Ich bin keine Oppositionsführerin.“
Das sage ich immer noch. Wenn ich mich Oppositonsführerin nennen würde, verstieße ich gegen das Gesetz. Unsere Verfassung erlaubt keine Opposition.
Könnten Sie Präsidentschaftskandidatin werden?
Nach der Verfassung kann jeder Bürger und jede Bürgerin nominiert werden – allerdings von der Beratenden Volksversammlung.
Ohne Rückhalt der Armee kann in Indonesien niemand Präsident werden. Wie ist Ihr Verhältnis zum Militär?
Von meiner Seite aus gut. Es gibt Soldaten, die mich unterstützen, aber auch Kräfte, die mich nicht mögen. Das Bild ist nicht nur schwarz und weiß. Interview: Jutta Lietsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen