„Uns hat nie jemand verunsichert“

■ Bremerhaven: Drogenstrich und Drogenszene „für eine Hafenstadt normal“

Mit der Bremerhavener Polizei ist nicht zu spaßen. Die Tatsache, daß hier die Aufklärungsraten in einzelnen Bereichen der Kriminalität um ein Mehrfaches höher sind als in Bremen, schmerzt Einbrecher und Autoknacker. Der Eindruck hanseatischer Gelassenheit, den die Beamten trotzdem ausstrahlen, läßt nur schwer ahnen, daß sie gerade im Drogenbereich einen harten, aber relativ fairen Erfolgskurs steuern. Drogenszene und Drogenstrich gibt es in Bremerhaven wie in Bremen. Grund zur Aufregung gibt es dabei in der Seestadt allerdings nicht.

Polizeidirektor Michael Viehweger: „Wir haben das von Anfang an so gehandhabt, daß uns die Entwicklung nicht überrennen konnte.“ Er wohnt im Herzen der Szene-Meile Bremerhavens, ist den angenehmen Dingen des Lebens zugeneigt. Kripo-Chef Ekkehard Hamann ist Jazz- und Literaturkenner und ein Freund des Theaters. Beide sind keine Polizeibeamte von der Stange, beide erhielten schon öffentliches Lob dafür, daß sie sich anbahnenden Konflikten klug und gewitzt die Brisanz nahmen.

Unauffällig, aber geschickt reduzierten sie den Gesamtkomplex der Drogenkriminalität auf das nach den Umständen niedrigstmögliche Maß. So blieb der Drogenbereich in Bremerhaven über viele Jahre vom Bundes- und Landestrend weit abgekoppelt. Viehweger: „Mittlerweile hat auch uns die Entwicklung eingeholt.“

Anders als in Bremen ist das Drogenszenario in Bremerhaven jedoch kein Tagesthema. „Wir sind in diesem Bereich von Beginn an konsequent gewesen“, erklärt Viehweger, „die Szene wurde nicht nur auf der Straße, sondern auch in Wohnungen und Hinterzimmern bekämpft. Es wurde ein enges Kontrollnetz geschaffen, das effektiv arbeitet. Das führte dazu, daß vor allem Dealer häufig erwischt und, wenn notwendig, auch zügig abgeschoben werden.“

Eine Bedingung für die über viele Jahre kontinuierliche Arbeit: „Uns als Polizei hat niemals jemand verunsichert“, erklärt der Polizeidirektor, „das Verhältnis zum Magistrat war und ist gut und beinhaltet eine gewisse Selbständigkeit.“

Drogenkonsumenten werden in Bremerhaven überdurchschnittlich oft von Polizisten kontrolliert und durchsucht, einschlägige Lokale observiert, gefilzt und nicht selten geschlossen. Folge: Die Szene bleibt verhältnismäßig überschaubar.

Als sich ein Drogenstrich im Rotlicht-Viertel etablierte, gab es handfesten Streit zwischen den alteingesessenen Prostituierten und den „Newcomerinnen“. Viehweger: „Um das Problem zu entschärfen, haben wir den Frauen aus dem Drogenbereich regelrechte Platzverweise erteilt. Wir haben sie so mit sanfter Gewalt in ein nahegelegenes Industriegebiet gedrängt. Dort stören sie niemanden, und der Bereich kann von Beamten zur Sicherheit der Frauen leicht und oft kontrolliert werden. Absolute Sicherheit kann allerdings niemand gewährleisten. Das beweist ein Tötungsdelikt aus der jüngsten Vergangenheit.“ Daß sich jemand vor den Augen des Oberbürgermeisters einen Druck setzt, ist für Viehweger allerdings unvorstellbar: „Der unerlaubte Besitz und der Handel mit Drogen ist für uns in keiner Weise tolerierbar. Da gibt es nicht den geringsten Ermessensspielraum. „Ich bin immer wieder erschüttert, wie deutlich wir als Polizisten den Verlauf einer Drogenkarriere mitbekommen. eine meiner bittersten Erkenntnisse ist, daß das Strafgesetzbuch gegen Perspektivlosigkeit von Jugendlichen machtlos ist.“ Lutz Wetzel