Unruhen in Uganda: "Wir sind bereit zu sterben"
Von heute auf morgen brechen in dem als stabil geltenden Land ethnische Konflikte aus. Mindestens 14 Menschen werden bei Protesten in der Hauptstadt Kampala erschossen.
Erst im Morgengrauen wird das Ausmaß der Ereignisse sichtbar: Die sonst so geschäftige 1,6-Millionen-Stadt Kampala wirkt wie ausgestorben. Geschäfte, Supermärkte, Banken, Behörden sind geschlossen, die Schaufenster verrammelt. Kaum ein Auto, Motorrad oder Fahrrad unterwegs.
Stattdessen patrouillieren gepanzerte Mambas durch die Vororte, Soldaten kontrollieren Kreuzungen. Immer wieder hallen Schüsse durch Kampala. Die bislang als sicher geltende Stadt, bekannt für ihre Partyszene und für afrikanische Verhältnisse niedrige Kriminalitätsrate, hat sich über Nacht in ein Schlachtfeld verwandelt. Und das wirtschaftlich prosperierende Land, das als politisch stabil galt, versinkt im Chaos.
Am Donnerstagabend hatte hatte sich der Frust der Baganda, mit 60,5 Prozent Ugandas größte ethnischer Volksgruppe, gegen die Regierung von Yoveri Museveni entladen. Aufgebrachte Männer marschierten in Richtung Regierungssitz, errichteten Straßenblockaden und warfen Steine gegen anrückenden Polizisten. Diese feuerten mit Tränengas und scharfer Munition zurück. Polizei und Regierung weigern sich, offizielle Zahlen über Tote oder Verletzte bekannt zu geben, doch im städtischen Krankenhaus sind die Folgen nicht zu übersehen.
Der Chef der Notaufnahme, Jimmy Mukasa, steht blutverschmiert vor dem Operationssaal: 56 Kugeln musste er entfernen, 32 Platzwunden verbinden. Er zeigt auf die verriegelte Tür in den Kühlraum: 14 Leichen wurden angeliefert. Darunter auch ein 14-jähriger Junge, der von einem Querschläger in den Kopf getroffen wurde. "So was habe ich in meinen 15 Jahren hier noch nicht gesehen", seufzt er.
Auslöser der Unruhen war ein Disput zwischen Präsident Museveni und dem König der Baganda, der wie andere Könige im Vielvölkerstaat Uganda laut Verfassung kulturelle Funktionen ausfüllen darf. Der Baganda-König hatte seinen Premier in die 45 Kilometer nordöstlich gelegene Stadt Kayunga geschickt, um den königlichen Besuch zum Baganda-Jugendfest vorzubereiten. Doch eine Polizeisperre stoppte den Abgesandten - aus "Sicherheitsgründen", wie es heißt. Im Distrikt Kayunga, laut Verfassung Teil des Baganda-Königreiches, hatte sich zuvor eine kleine Volksgruppe, die Banyala, gegen den König aufgelehnt.
Die Nachricht von der Straßenblockade hatte sich via Radio im Land verbreitet. Als der Sender des Königtums die Auseinandersetzung zwischen Staatsmacht und Königtum meldete, strömte die Baganda-Jugend auf die Straße. Die Regierung schickte Soldaten los, um den Sendemast auszuschalten.
Dieser Schritt hat auch Eria in Kampala dazu bewegt, sich den Krawallen anzuschließen. Der 21-jährige Wirtschaftsstudent und Präsident der Baganda-Studentenorganisation hockt am Morgen nach der Unruhenacht vor der königlichen Radiostation im Stadtteil Mengo, nicht weit vom Palast entfernt. Um ihn herum sitzen hunderte Kommilitonen. In der Nacht zuvor hatten sie die Polizeistation im Armenviertel Natete in Brand gesetzt.
An diesem Morgen treffen sie sich zum friedlichen Protest. Sie haben Plakate gemalt. "Wir sind bereit zu sterben", steht darauf. Doch für was? "Der Alte muss endlich gehen!", brüllt Eria. Museveni regiert bereits seit 23 Jahren. Ohne Atem zu schöpfen, zählt Eria Gründe auf, warum er die Regierung stürzen will: die Veruntreuung von Geldern aus dem Aids-Fonds und der Sozialversicherung, die Aufrüstung des Militärs mit Helikoptern, während Krankenhäuser nicht über genug Medikamente verfügen - und nicht zuletzt: "Wir Baganda stellen die Mehrheit der Bevölkerung in Uganda.
Doch Museveni ist keiner von uns", schüttelt er den Kopf. Museveni gehört zur ethnischen Gruppe der Banyakore, mit 7,2 Prozent die zweitgrößte Minderheit. "In seinem Machtapparat dienen fast nur Banyakore", sagt Eria. "Wir wollen ein föderales und demokratisches Staatssystem!", schreien die Studenten. Kurz knüppelt das Militär Eria und seine Mitstreiter nieder.
Appelle nach mehr Föderalismus wurden in den vergangenen Monaten in verschiedenen Ecken Ugandas laut. Vielversprechende Voraussagen über Ölvorkommen im Westen des Landes haben das Selbstbewusstsein der dortigen Elite gestärkt. Doch statt Zugeständnisse bei der Teilung der Macht zu machen, reagierte Museveni mit der Strategie "teile und herrsche".
Grenzen zwischen lokalen Verwaltungsdistrikten wurden neu gezogen, einige Ethnien bevorzugt, andere benachteiligt. Museveni verteilte die Kabinettsposten neu, um sich Loyalitäten zu sichern. Gleichzeitig wurden ethnische Konflikte durch Grenzstreitigkeiten und Landumverteilungen angeheizt. Kombiniert mit dem weltweit höchsten Bevölkerungswachstum, den Dürreperioden und der Lebensmittelknappheit ergibt das ein gefährliches Gemisch.
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