Unruhen in Syrien: UN-Sicherheitsrat berät Resolution
Mit einer UN-Resolution wollen Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal den Druck auf den syrischen Präsidenten Assad erhöhen. Russland wird nicht zustimmen.
NEW YORK/DAMASKUS dapd/dpa | Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal haben im UN-Sicherheitsrat eine Resolution gegen Syrien eingebracht, mit der der Druck auf das Regime von Präsident Baschar Assad erhöht werden soll. Die syrische Führung bereitet offensichtlich eine Militäroffensive gegen Regimegegner in der nordwestlichen Provinz Idlib vor.
Die vier Staaten legten den überarbeiteten Entwurf in einer Sitzung des Gremiums am Mittwochabend in New York vor. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte, er hoffe auf eine Abstimmung über die Resolution in den kommenden Tagen.
Sein russischer Kollege Vitaly Churkin kündigte an, dass Moskau die Entschließung nicht unterstützen werde. Zur Begründung sagte er, diese werbe nicht für einen Dialog, und man befürchte, dass die Gewalt in Syrien daraufhin noch zunehmen werde. Zu der Frage, ob Russland sein Veto gegen die Resolution einlegen werde, wollte sich Churkin nicht äußern.
In dem Entwurf werden unter anderem ein sofortiges Ende der Gewalt gegen die Protestbewegung in Syrien, politische Reformen sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert. Menschenrechtsverletzungen werden verurteilt, und Damaskus wird aufgerufen, umgehend Beobachter ins Land zu lassen.
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal hatten bereits am 26. Mai einen ersten Resolutionsentwurf eingebracht. Nach Angaben von Diplomaten konnten sich die Staaten die für eine Verabschiedung notwendigen neun "Ja"-Stimmen sichern, wollten sich aber um weitere Unterstützung etwa von Südafrika oder Brasilien bemühen.
Sorge vor einem möglichen Bürgerkrieg
Der britische Premierminister David Cameron hatte die neue Resolution am Mittwoch angekündigt. "Sollte jemand gegen diese Resolution sein oder versuchen, sie mit einem Veto zu blockieren, sollte das sein Gewissen belasten", sagte Cameron in London. Russland und China könnten als ständige Sicherheitsratsmitglieder die Entschließung blockieren.
Der französische Außenminister Alain Juppé hatte bereits zu Wochenbeginn in Washington die Absicht seiner Regierung bekräftigt, im UN-Sicherheitsrat eine Resolution gegen die syrische Regierung zu erreichen. Assad habe "seine Berechtigung verloren, dieses Land zu regieren", sagte Juppé. Der französische UN-Botschafter Gerard Araud sagte: "Wir befürchten, dass das Land in einen Bürgerkrieg stürzen könnte. Wir glauben, dass der Sicherheitsrat handeln muss."
Auch die USA bekundeten ihre Unterstützung für eine Resolution. Diese werde den Druck auf Assads Regime erhöhen, "die brutale Unterdrückung des syrischen Volkes" zu beenden, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Caitlin Hayden, in Washington. Die amerikanische UN-Botschafter Susan Rice sagte: "Wenn es zu einer Abstimmung kommt, werden wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Wenn andere das nicht können oder wollen, müssen sie die Verantwortung dafür tragen."
Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden bei der Niederschlagung der Protestbewegung seit März mehr als 1.300 Menschen getötet.
Militär bereitet Offensive vor
Die syrische Führung bereitet offensichtlich eine Militäroffensive gegen Regimegegner in der nordwestlichen Provinz Idlib vor. Die regierungsnahe Nachrichtenwebsite "Damas Post" meldete am Donnerstag, zahlreiche Einwohner der Region hätten die Städte und Dörfer der Provinz verlassen, damit die Armee freie Hand habe bei der Verfolgung bewaffneter Extremisten.
Zwischen 800 und 2000 Kämpfer, darunter "Frauen und Männer aus Dörfern, die für ihren religiösen Extremismus bekannt sind", bereiteten sich dort auf eine Schlacht vor. Die Anwohner hätten die Soldaten aufgefordert, "ohne Gnade" gegen diese Extremisten vorzugehen, die Anfang der Woche in der Kleinstadt Dschisr al-Schogur 120 Soldaten und Polizisten getötet hätten.
Die Regimegegner aus dem Bezirk, von denen einige inzwischen über die Grenze in die Türkei geflüchtet sind, hatten dagegen berichtet, Soldaten hätten auf Demonstranten in Dschisr al-Schogur geschossen und die Bewohner des Ortes gedemütigt. Anschließend sei es zu einem Gefecht unter den Soldaten gekommen, weil sich einige den Befehlen ihres Kommandeurs widersetzt hätten.
1.000 Menschen fliehen in die Türkei
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, Präsident Baschar al-Assad habe angeordnet, in mehreren Provinzen Verwaltungsgerichte zu schaffen. Dies solle den Bürgern, die bisher für jedes Verfahren in die Hauptstadt Damaskus reisen mussten, das Leben erleichtern.
Rund 1.000 Syrer sind in der Nacht zu Donnerstag vor den Unruhen in ihrem Heimatland in die Türkei geflohen. Damit stieg die Zahl der in die Türkei geflüchteten Syrer schlagartig auf 1.600. Aus türkischen Behördenkreisen hieß es, an den Grenzübergängen stünden Krankenwagen bereit, um verletzte Flüchtlinge in Krankenhäuser zu bringen. In Syrien gehen Sicherheitskräfte seit Monaten gewaltsam gegen die Protestbewegung vor, die unter anderem politische Reformen fordert und Menschenrechtsverletzungen anprangert.
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