Unruhen im nordirischen Belfast: Brandbomben auf Polizisten
Militante Protestanten haben sich in Belfast zwei Nächte in Folge mit der Polizei Kämpfe geliefert. Auslöser sind die jährlichen Oraniermärsche probritischer Protestanten.
BELFAST afp | Im Zusammenhang mit den traditionellen Oraniermärschen hat es in Nordirland am Wochenende schwere Zusammenstöße zwischen militanten Protestanten und der Polizei gegeben. In der Hauptstadt Belfast bewarfen in der Nacht zum Sonntag zum Teil mit britischen Fahnen vermummte Jugendliche Polizisten mit Brandbomben, Flaschen und Steinen, auch am Samstag hatte es noch heftigere Krawalle gegeben. Die Polizei setzte Gummigeschosse und Wasserwerfer ein.
Die Gewalt in der Nacht zum Sonntag war weniger intensiv als in der Nacht zuvor, als die Menge die Polizei unter anderem mit Benzinbomben, Feuerwerkskörpern und Ziegelsteinen beworfen hatte. Die Anhänger des protestantischen Oranierordens protestierten gegen ein Verbot, durch ein vorwiegend katholisches Viertel zu marschieren.
Nach Angaben der Polizei wurden in der ersten Nacht 32 Beamte verletzt. Mehrere von ihnen wurden von Wurfgeschossen so schwer getroffen, dass sie das Bewusstsein verloren. Der langjährige nordirische Vertreter im Londoner Parlament, Nigel Dodds, wurde von einem Ziegelstein am Kopf getroffen und bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert. Am Samstag konnte er die Klinik wieder verlassen. Der Vize-Vorsitzende der konservativen probritschen Democratic Unionist Party (DUP) von Regierungschef Peter Robinson hatte vergeblich versucht, die Randalierer an der Straßensperre zu beruhigen.
Größte protestantische Bruderschaft
Mit den Märschen gedenkt der Oranierorden des Sieges Wilhelms III. von Oranien über den zum Katholizismus übergetretenen und 1688 vertriebenen Jakob II. am 12. Juli 1690 in der Schlacht am Fluss Boyne.
Bei den Umzügen kommt es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen den probritischen Protestanten und für die Loslösung von London eintretenden Katholiken. Der 1795 gegründete Oranierorden ist die größte protestantische Bruderschaft in Nordirland.
Die aus Anlass der Oranienmärsche nach Nordirland entsandten 600 Polizisten erhielten nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen am Samstag Verstärkung durch 400 weitere Beamte.
Der nordirische Polizeichef Matt Baggott nannte die Vorfälle „schändlich und beschämend“. Er äußerte scharfe Kritik an den Anführern des Oranierordens, die zu Protesten gegen die Entscheidung aufgerufen hatten, den Marsch durch das katholisch-republikanische Ardoyne-Viertel zu verhindern. Erst hätten sie Tausende zu Protesten versammelt, doch dann hätten sie „keinen Plan und keine Kontrolle“ gehabt. Dafür sei nicht der Ausdruck „verantwortungsvoll“ zutreffend, sondern eher „rücksichtslos“, sagte Baggott.
Leser*innenkommentare
Kritischer Beobachter
Gast
Liebe taz,
als täglicher Leser Ihrer Zeitung würde ich mich beim Thema Nordirland über mehr Ausgewogenheit oder Neutralität freuen - was ich von einer Qualitätspresse erwarte. Nur zwei Beispiele:
1. Haben denn nur die Protestanten Gewalt ausgeübt? Wer hat in Ostbelfast an den gleichen Tagen (oder auch in der Stadt Portadown) Molotowcocktails auf die Polizei geworfen?
2. Oranierorden als Auslöser? Wer hat im Vorfeld mit Gewalt gedroht, sodass ein Teil der Wegstrecke des Oranierordens untersagt wurde? Und: Sind Sie sich sicher, dass dieser Weg tatsächlich durch ein katholisches Viertel geht? Eine sehr ernste Frage: Wo genau marschiert der Oranierorden durch katholische Viertel?
Mit freundlichen Grüßen!
N.N.