piwik no script img

Unorthodoxer Kulturmix

Der Hamburger Autor Daniel Haw bezieht mit seinem jüdischen Theater Schachar im Haus Drei eine feste Spielstätte  ■ Von Andin Tegen

„An alle jüdischen Kollegen und an alle ,Bastarde': Es ist soweit! Der Messias ist zwar noch nicht da, endlich aber das erste jüdische Theater in Hamburg! Laßt uns Pioniere sein! Das Schachar sucht sein Ensemble! Seid Ihr dabei?“ So res-pektlos warb vor rund anderthalb Jahren der jüdische Autor und Regisseur Daniel Haw für die Erweiterung seiner bis dato fünfköpfigen Schauspielertruppe. Die Plakataktion in Schauspielschulen, Studios und der HfbK kam an: Mittlerweile hat sich die Ensemblegröße verdreifacht, und das Schachar hat nun sogar eine eigene feste Spielstätte.

Im großen Saal des Haus Drei in Altona eröffnet das einzige jüdische Theater Norddeutschlands heute seine Spielzeit mit dem preisgekrönten ukrainischen Dirigenten Alexander Paperny an der Balalaika und dem russischen Pianisten Boris Pogreb. „Rasante Klassik“ von Bach über Couperin und Schumann bis Paganini steht auf dem Programm. Am Sonnabend setzt das Klezmer-Trio Ka-leidoPhon! den interkulturellen Dialog fort. Nicht nur die Instrumentierung – Klarinette, Akkordeon, Harfe (!), keine Geige (!!) – ist ungewöhnlich, sondern auch die Stilvielfalt: kammermusikalischer Feinsinn wechselt sich ab mit jazziger Improvisationslust. Und am Sonntag liest der Berliner Professor Yaacov Ben-Chanan ausgewählte Erzählungen des Literaturnobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer.

Mit seinem Theater, das zu deutsch „Morgenröte“ heißt, will Daniel die gespaltene jüdische Kulturszene wieder versöhnen. „Das Schachar baut sich nicht ausschließlich auf den Folgen der Shoa auf. Das ist neu. Dass wir ein Volk mit abwechslungsreicher Diaspora-Geschichte sind und nicht immer nur als Volk der Opfer dastehen wollen, muss endlich klar werden“, sagt der 42-Jährige. „Was den Juden in Hamburg fehlt, ist eine kulturelle Identität, die sie in der Öffentlichkeit repräsentiert.“ Und so hegt er auch Pläne für eine Jidden-Disko und den Auftritt einer chassidischen Punk-Band.

Begonnen hatte alles im September 1998, als Gerd D. Samariter in seinem Piccolo-Theater Daniel Haws Komödie Waldo & Schmerl inszenierte. Mitglieder der sensiblen jüdischen Gemeinde und Nichtjuden begeisterten sich gleichermaßen für das Stück, das die Riten der jüdischen Mythologie mit den alltäglichen Problemen zweier älterer Herren sehr ironisch verschweißte. Der Erfolg machte Haw nachdenklich – und brachte ihn auf die Schachar-Idee. Bereits im November trug sie Früchte, als im Haus Drei die Premiere der lyrisch-musikalischen Revue Mascha Tov! nach Gedichten von Mascha Kalenko über die Bühne ging.

Der multitalentierte Daniel Haw wuchs in Hamburg als Kind atheis-tischer Eltern jüdischer Herkunft auf. Seine Mutter malte, sein Vater war Schauspieler – und Wehrmachtssoldat. Als die SS entdeckte, dass er von Geburt Jude war, wagte er die Flucht und kämpfte in der Resistance gegen Nazi-Deutschland. Schon mit zwölf Jahren entdeckte der kleine Daniel seine Lust am Schreiben. Nach einer Ausbildung zum Lithografen gesellte sich dazu das Interesse am Theater. Zwischen 1984 und 1986 studierte er an der „School of Dramatic Arts“ in Kalifornien Schauspielerei und Regie. Am Bandoneon bildete er sich allerdings selbst aus.

Daniel Haws Verhältnis zur jüdischen Gemeinde in Hamburg ist nicht ungetrübt. Da er es häufiger „versäumt“, die Würdenträger explizit zu seinen Vorführungen einzuladen, handelte er sich schon die Kritik des Hamburger Rabbis Barsilay ein. „Ich weiß, dass ich die Thora nicht unbedingt orthodox einhalte“, sagt der Vater zweier Töchter, dem das nächste Pessach-Fest schon bevorsteht, nach welchem er zehn Tage lang statt Brot nur Matze (eine Art Knäckebrot) essen darf. „Eins ist aber gewiss: meine Künstler erhalten am Abend des Schabbat keine Gage, und es wird streng darauf geachtet, dass kein Schweineschnitzel serviert wird.“

Alexander Paperny & Boris Pogreb: Do, 2. März, 20 Uhr; KaleidoPhon!: Sa, 4. März, 20 Uhr; Isaac-Bashevis-Singer-Lesung: So, 5. März, 20 Uhr, Theater Schachar im Haus Drei, Hospitalstraße 107

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen