Universität Hamburg: Abschied von der Hochschul-Demokratie
Schwarz-Grün in Hamburg schafft hierarchische Uni-Strukturen. Fakultäten dürfen ihre Dekane nicht mehr selbst wählen. Grüner Koalitionspartner hat von der Änderung nichts gemerkt.
Hamburg hat mit seiner Universität Großes vor. Von einem Neubau auf einer Hafen-Halbinsel ist die Rede. Doch im Schatten dieser glamourösen Pläne bringt CDU-Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach ein "Wissenschaftsförderungsgesetz" auf den Weg, das gehörig Hochschuldemokratie abbaut. Nicht mal die mitregierenden Grünen haben gemerkt, dass den Fachbereichen das Recht genommen werden soll, ihre Dekane zu wählen. Dieses Amt soll künftig nur bekleiden, wer vom Präsidenten der Uni ausgesucht wurde.
Dass es ich hierbei nicht um eine unwichtige Formalie handelt, zeigen die gegenwärtigen Zustände an der Uni Hamburg. Denn Gundelachs Vorgänger, der parteilose Wissenschaftssenator Jörg Dräger, hatte 2003 mit seinem Hochschulgesetz die akademische Selbstverwaltung schon sehr weit eingeschränkt und mit dem externen Hochschulrat eine Konstruktion durchgesetzt, in der die Uni-Präsidentin, derzeit in Gestalt der Raketenforscherin Monika Auweter-Kurtz, von außen eingesetzt wird und kaum mehr abwählbar ist. Auweter-Kurtz gilt als nachtragend und hat in zwei Jahren Amtszeit schon eine Reihe von Mitarbeitern ihrer Position enthoben. An der Uni haben gestandene Professoren Angst, ihre Meinung zu sagen.
Das Wissenschaftsförderungsgesetz ist ein Paket von 66 Änderungen. Gegenwärtig liegt den Hochschulen ein Referentenentwurf zur Stellungnahme vor. Die Hamburger Bürgerschaft hat es noch nicht verabschiedet.
Kommt die Änderung von Paragraf 90 durch, dürften die Fakultätsräte einen vom Präsidenten ausgewählten Dekan-Kandidaten die Bestätigung verweigern. Kritikern ist das zu wenig Mitbestimmung. Sie fordern das Prinzip Botton-up statt Top-down.
Das Gesetz sieht eine flexible Lehrverpflichtung vor. Professoren müssen zwischen vier und 14 Semesterwochenstunden lehren. Kritiker fürchten eine Trennung in Forschende und Lehrende.
Berufungsausschüsse sollen künftig nur von Dekanen, nicht aber von Fakultätsräten eingesetzt werden. Kritiker sehen auch hier eine Hierarchisierung.
In dieser Situation stellte sich an der Fakultät für Geisteswissenschaften mit Hans-Martin Gutmann ein Dekan zur Wahl, der in seinem Bewerbungsschreiben diese Probleme ansprach und von einer "tiefen Vertrauenskrise" schrieb. Der Theologieprofessor wurde am 6. Mai vom Fakultätsrat gewählt, doch laut dem Drägerschen Hochschulgesetz muss Auweter-Kurtz seine Wahl noch bestätigen. Sie zögert und hat durchblicken lassen, dass sie Gutmann nicht will.
Doch geht es nach dem neuen Paragraf 90 in dem nun von Gundelach vorgelegten Gesetz, kann es zu einer für Auweter-Kurtz unliebigen Kandidatur gar nicht mehr kommen. Denn der Passus, der die Wahl durch die Basis erlaubt, wird dort gestrichen. Dabei war dies 2002 ein Zugeständnis von Dräger, nachdem 191 Professoren in einem offenen Brief protestiert hatten. Die Sache ist ein Politikum. Doch sechs Jahre später kippt Gundelach die Passage, ohne dies in ihrer Pressemitteilung zum Gesetz zu erwähnen. Nur wer den nicht-öffentlichen Referentenentwurf liest, erfährt davon.
"Hier passiert die vollständige Entdemokratisierung unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung", sagt die SPD-Hochschulpolitikerin Dorothee Stapelfeldt. "Wenn das so kommt, haben wir eine militärische Universität", ergänzt Politikprofessor Hans J. Kleinsteuber. "Die Dekane werden die Feldwebel der Präsidentin."
Die Wissenschaftsbehörde argumentiert damit, dass sich die alte Regelung nicht bewährt habe, weil sich die Dekane-Suche oft über Monate hinzog. Weil das Verhältnis zwischen Uni-Chefin und den sechs Fakultäten angespannt ist, ist es schwer, Kandidaten zu finden. "Ich halte diese Gesetzesänderung für die Auflösung des Problems in die falsche Richtung", sagt Gutmann. "Die Streichung demokratischer Beteiligungsrechte ist immer ein Problem." Das sollte auch den Grünen nicht egal sein.
Deren Hochschul-Sprecherin war nicht zu erreichen, dafür aber die Unigruppe Campus-Grün. "Wir sind für Hochschuldemokratie und für die Wahl der Dekane durch die Fakultäten", sagt Sprecher Martin Burmester. Über das neue Gesetz habe es in der Koalition eine Absprache gegeben. Die Sache mit der Dekanen-Wahl sei da wohl "übersehen worden".
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