Unis lassen sich von Unternehmen einspannen: Das Geschäft mit den Studi-Daten
Universitäten verschicken Werbebriefe von Unternehmen an ausgewählte Studierende. Datenschützer halten das für nicht zulässig - die Unternehmen sprechen von einem tollen Angebot.
Tobias Metzger staunte nicht schlecht, als er in seinen Briefkasten schaute. Darin lag ein Brief der Unternehmensberater von McKinsey mit einem Poststempel der Freien Universität Berlin, an der Metzger Volkswirtschaftslehre studiert. McKinsey wollte ihn als Mitarbeiter gewinnen. Als solcher sei er nämlich, so hieß es im Brief, "maßgeblich an Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft beteiligt". Mehr könnte er zusammen mit ausgewählten anderen Studierenden bei einem persönlichen Treffen erfahren. Dabei werde auch "über Ihre individuellen Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten bei McKinsey" informiert. Abendessen inklusive.
Tobias Metzger hatte kein Interesse - und wandte sich stattdessen an die taz: "Braucht meine Universität wirklich so dringend Geld, dass sie meine Daten verkauft?" Doch da irrt Metzger, der nicht mit seinem echten Namen in der Zeitung stehen möchte. Denn McKinsey hat seine Daten nie bekommen, sondern lediglich die Briefe an die Universität gegeben. Die hat dann die Adressen der Studierenden aufgedruckt und die Briefe abgeschickt. Post bekam, wer am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften seit maximal 11 Semestern studiert und das Vordiplom nicht schlechter als mit der Note 2,3 gemacht hat.
Und genau diese Vorauswahl ist nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten des Landes Berlin, Alexander Dix, nicht erlaubt. Die Universität dürfe ihr Wissen um die Noten der Studierenden nicht dazu verwenden, um für Unternehmen eine Vorauswahl von passenden Bewerbern zu treffen.
In einem Schreiben an die Universität moniert Dix: Das Prinzip der Chancengleichheit im Bewerbungsverfahren sei "von Anfang an verletzt". Es fehle auch an einer Rechtsgrundlage. Zwar soll die Uni laut Hochschulgesetz auch auf den Beruf vorzubereiten. Doch "ob die Unterstützung von Werbung (oder Abwerbung) der besten Studenten schon vor Ende des Studiums durch bestimmte renommierte Unternehmen dazu gehört, bezweifle ich".
Auch die Unternehmensberater von Boston Consulting verschickten Werbung über die Freie Universität. Post bekamen Studierende des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, die zu den besten 10 bis 15 Prozent gehören. Aber nicht nur die Freie Universität Berlin verschickt an ihre Studierenden Einladungen zu Veranstaltungen von Boston Consulting. Es gebe vergleichbare "Vorträge oder Workshops an 56 deutschen Hochschulen", so Unternehmenssprecherin Heidi Polke.
Die Profiteure des heiklen Geschäfts sind die Unternehmen. Denn die Uni verlangt lediglich Geld für Porto, Material und Arbeitsaufwand. Wie viel die Freie Universität damit einnimmt, hat sie auf taz-Anfrage noch nicht beantwortet. Bekannt ist bislang nur, dass der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften im vergangenen Jahr 280 Euro einnahm. So gezielt und so billig können Unternehmen ihre Wunsch-Zielgruppe sonst nicht erreichen.
Kein Wunder, dass die Unternehmen das Geschäft gerne fortführen würden. Boston Consulting findet: Die Werbung sei ein prima Service für die Studierende und "bislang immer auf positive Resonanz gestoßen". Auch Universitäts-Sprecher Goran Krstin weist darauf hin, die Werbebriefe seien eine "nicht nur an den Fachbereichen der Freien Universität Berlin verbreitete Form, Studierende auf dem Weg in den Beruf zu unterstützen". Von den Studierenden würde das "nach unseren Erfahrungen gewünscht und geschätzt".
Und was ist mit dem Datenschutz-Verstoß? McKinsey-Sprecherin Adriana Nowicka behauptet, "selbstverständlich wurden die Belange des Datenschutzes zu jedem Zeitpunkt vollständig gewahrt". Die konkreten Vorwürfe im Brief des Datenschutzbeauftragten allerdings "kommentieren wir nicht". Auch Boston Consulting fühlt sich für die Einhaltung des Datenschutzes offenbar selbst nicht zuständig: Die Vorwürfe möchte man "derzeit nicht kommentieren, sondern wir verweisen hier auf eine mögliche Stellungnahme der Universität". Die allerdings hat auf eine taz-Anfrage zu dieser Frage bisher noch nicht reagiert - genau wie zu vielen anderen Fragen rund um dieses Geschäft.
Toller Service für Studierende oder fahrlässiger Umgang mit persönlichen Daten? Diskutieren Sie das Thema auf www.30jahre.taz.de.
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