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Unionsvorschlag zum WahlrechtVerfassungsgericht ausschalten

Der Union sind die Vorgaben des Verfassungsgerichts zum Wahlrecht zu unbequem. Deshalb soll künftig allein der Bundestag entscheiden, wie er gewählt wird.

Keine Weihnachtsmänner: Die Wahlrechtsentscheidung des Verfassungsgerichts entspricht nicht den Wünschen der Union. Bild: dapd

BERLIN dpa | Die Union plädiert dafür, dem Verfassungsgericht durch eine Grundgesetzänderung die Kontrolle für das Wahlrecht zu entziehen. „Wir machen im Wahlrecht leider die Erfahrung, dass das Bundesverfassungsgericht von Mal zu Mal strengere und kompliziertere Vorgaben macht, ohne sich über deren Umsetzbarkeit ausreichend Gedanken zu machen“, sagte Fraktionsvize Günter Krings der Rheinischen Post.

Deshalb sei zu überlegen, wie die Regelungskompetenz von Karlsruhe zurück zum Bundestag kommen könne. „Zumindest mittelfristig wäre es sinnvoll, die Grundzüge unseres Wahlsystems in das Grundgesetz zu schreiben“, meinte der CDU-Rechtsexperte. Damit wäre auch der von Karlsruhe verlangte überparteiliche Konsens beim Wahlrecht dauerhaft gesichert.

Nach Ansicht von SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann wäre dies „ein beispielloser Affront“. „Die Mehrheit darf sich das Wahlrecht nicht so zuschneiden, wie es den Bedürfnissen der Machtabsicherung entspricht“, warnte er.

Für kommenden Donnerstag wird bei den Gesprächen aller Fraktionen eine Vorentscheidung über das vom Verfassungsgericht angeordnete neue Wahlrecht erwartet. Dabei zeichnet sich ab, dass Überhangmandate künftig in vollem Umfang durch Zusatzsitze ausgeglichen werden sollen. Dies könnte im Extremfall zu einer Vergrößerung des Parlaments von jetzt 620 auf bis zu 900 Abgeordneten hinauslaufen. Karlsruhe hatte zentrale Teile des Ende 2011 von Union und FDP im Alleingang durchgesetzten Wahlrechts verworfen.

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18 Kommentare

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  • JB
    Jens Berger

    @anita künstle

    Vorsicht mit solchen Empfehlungen. Das ist nur eine "FDP 2.0".

  • BG
    Bernd G.

    "Dies könnte im Extremfall zu einer Vergrößerung des Parlaments von jetzt 620 auf bis zu 900 Abgeordneten hinauslaufen."

    Sparen ist ja eh außer Mode.

     

    "Verfassungsgericht ausschalten"

    ... war auch schon für den Fall eines unangenehmen Urteils bzgl. ESM geplant und wird über die EZB-Ankäufe schon längst betrieben.

     

    Fazit: Wer ordentlich gas gibt soll zumindest seine Augen verschließen.

  • AK
    anita künstle

    Hier lese ich gerade, dass sich eine Alternative bildet:

     

    http://www.wahlalternative2013.de/index.php?id=198

     

    Im Moment ist es am wichtigsten, dass man einen Gegenblock bildet, daher sollten möglichst viele diese Aktion unterstützen, oder nicht?

  • L
    Lenny

    Art. 38 (Neufassung)

     

    1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und nicht geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen gebunden und Angela Merkel (oder Vertreter) unterworfen.

     

    (2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und Mitglied der Einheitspartei CDU/SPD ist; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt und Mitglied der Einheitspartei CDU/SPD ist.

     

    (3) Jede 2. Stimme wird unabhängig von der Realität der CDU zugeordnet, jede 3. Stimme der SPD.

     

    (4) Dieser Artikel fällt unter die Ewigkeitsgarantie und kann auch vom Bundesverfassungsgericht oder einer europäischen Gerichtsbarkeit nicht abgeändert oder verhindert werden.

  • DP
    die Puppenfee

    ... ja, ja, da zeigt sich wieder, wie Frau Merkel das mit dem Durchregieren gemeint hat. Demokratischer und rechtsstaatlicher Ballast wird bei konsequentem Durchregieren dann einfach über Bord geworfen. Hat ja irgendwie auch Tradition, wenn auch eben leider keine demokratische. Bleibt jetzt zur Vollendung des demokratiefeindlichen Gesamtprojekts nur noch dafür zu sorgen, dass künftig die Regierung ihr Wahlvolk wählt und nicht mehr umgekehrt...

  • S
    Synoptiker

    Warum hört man kein warnendes Wort des Bundespräsidenten zum Vorhaben der Union das BVG in seinem Kontrollrecht zu beschneiden.

    Diese Entwicklung und andere Symptome der gesellschaftlichen Veränderung gleichen sich mit den Verfallserscheinungen in der Spätphase der Weimarer-Republik. Höchste Sensibilität ist geboten!

  • O
    Ott-one

    Der Schatten der untergegangenen DDR kann aber ganz schön lang sein!!!

    Diktatorischen Machterhalt um jeden Preis!

    Das ist keine späte Sommerloch -Debatte, das soll blutiger Ernst werden. Nur mit kleinen Schritten kommt man auch zum Ziel.

    Wie der Bundestag entscheidet hat man doch beim Durchwinken des ESM gesehen. Da waren sich die meisten Abgeordneten wieder sehr einig.

  • L
    laura

    Jede Generation in Macht frißt irgendwann

    ihre Kinder, wenn sie nicht durch eine

    vernünftige und starke Nachkommenschaft

    abgelöst wird.

    Deren Macht ist unsere Passivität.

    Nieder mit der EU

    und nieder mit Verordnungsumsetzungsrepubliken!

    Her mit der Selbstbestimmung!!!

  • M
    mm1

    Seit längerer Zeit vermute ich, dass viele Abgeordnete, MinisterInnen nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich, demokratischen Grundordnung stehen.

    Die Beweise kommen tröpfchenweise. Beispiele: die Grundgesetzänderung für die Jobcenter, die Ausführung der Hartz IV-Regelsatzberechnung usw. Jetzt das Wahlrecht. Nur weil man um seine Pfründe fürchtet.

    Das hat was von Rechtsbeugung und Verfassungsbruch. Hier sollte der Verfassungsschutz aktiv werden.

  • P
    Pragmatiker

    1. (Nicht ganz ernst)

    Der Vorschlag der Koalition könnte akzeptiert werden, wenn gleichzeitig die Abgeordnetenbezüge auf Hartz-IV-Niveau gesenkt und die derzeit üppige Altersversorgung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, zu riestern, gestrichen würde.

     

    2. (Eher ernst)

    Ein Alternativvorschlag für die Wahlrechtsänderung: Halbierung der Zahl der Wahlkreise, aber insgesamt dreimal zu viele Mandate wie Wahlkreise. Dann hat das Parlament wieder eine überschaubare Größe (rund 450 Abgeordnete, noch immer mehr als das Repräsentantenhaus, dort hat es 435 Mitglieder). Überhang- und Ausgleichsmandate gäbe es nach diesem System nur noch selten.

     

    3. (Bitter ernst)

    Allerdings: Pöstchen gäbe dann ein paar weniger, und allein deshalb wird Vorschlag 2 schnell in der Versenkung verschwinden.

  • A
    Ablenkungsmanöver

    Für eine solche Grundgesetzänderung bräuchte es eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Da es die nie und nimmer geben wird und Herr Krings das auch weiß, stellt sich nur die Frage: Wovon will er mit dieser Scheindebatte ablenken?

     

    Jedenfalls scheint das Ablenkungsmanöver prima zu funktionieren, wie man hier sieht.

  • M
    Mob

    Tja, jetzt reicht es der CDU nicht mehr, dass man sich die Richter, die man sich vorher mit dem Dienstzeugnis systemkonform erzogen hat, selbst nach Karlsruhe wählt. Jetzt will man das Gericht entmachten. Es fällt eben auf, dass die Regierung sich nicht mehr an die Vorgaben aus Karlsruhe hält, obwohl die Urteile immer regierungsfreundlicher werden.

  • C
    Celsus

    Weg mit dem Bundesverfassungsgericht! Zu oft hat es doch schon die Pläne der Regierung beimBruch der Verfassung gestört!

     

    Ach. Was wäre es doch schön, wenn dann einfach gesagt werden könnte: "Schnauze wir sind gewählt!" Und dann noch gewählt nach den eigenen billigen und gerechten Vorstellungen. Wunderbar.

  • P
    Paul

    Doch egal nach welchem Wahlrecht - das dumme Volk wird sie noch wählen, wenn die Menschen in den Straßen verhungern und Kritiker in den tiefsten Kellern schmoren. Man bedenke dass diese Menschen-, Menschenrechts- und Verfassungsfeinde mit Abstand die stärkste Partei sind und mit nur zwei Ausnahmen immer waren.

  • V
    viccy

    Das ist ein Vorschlag, der gegen die Gewaltenteilung und damit gegen ein zentrales Prinzip des Rechtsstaates gerichtet ist!

     

    Das ist mit anderen Worten eine Sauerei! Eine richtig üble Sauerei sogar!

     

    Verfassungsschutz, stell doch mal ein zwei Beobachter auf die CDU ab anstatt auf die Linkspartei, wie wärs?

  • E
    Eremit

    So so. Die Regierung pfeift also auf die Verfassung und will von ihren Vorteilen bei Wahlen nicht lassen.

     

    Im Grunde ist das schon offen kriminell, die Verfassung braucht man in diesem Lande nur noch, um den Verfassungsschutz zu rechtfertigen.

     

    Wozu dann eigentlich noch Wahlen und das ganze Gedöhns?

    Teuere Alibi-Veranstaltung für den Demokratie-Schein.

    Rechtsstaatlichkeit hat sich für Ärzte (legale Vorteilsnahme) und Banken (keine Haftung bei Schrottimmobilienbetrug) eh schon erledigt, dann folgt der Rest bald nach.

     

    Sind so Impressionen auf dem Weg zum Müllhaufen der Geschichte...

    Dann lieber Honecker.

  • T
    Tim

    Schon interessant, was heute so alles als "Rechtsexperte" durchgeht. So richtig darüber nachgedacht hat der Herr ja nun nicht über seinen Vorschlag.

     

    Grundgesetzänderungen brauchen eine 2/3-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat. Die wird er dafür wohl nicht kriegen.

    Karlsruhe kann auch Grundgesetzänderungen überprüfen und wird eine solche schneller kassieren als Günter Krings "Gewaltenteilung" sagen kann.

    Alles in Allem geht das gerade noch als späte Sommerloch-Debatte durch.

  • RB
    Robin B.

    Das schlägt doch dem Fass den Boden aus!!

    Die kriegens nicht nicht hin ein ordentliches Wahlrecht zu beschließen, bzw. wollen nicht auf ihren unrechtmäßigen Vorteil verzichten, also wird die Kontrollinstanz ausgeschaltet. Ich glaubt es hackt!