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Union streitet um Leistungen für FlüchtlingeFriedrich hofft auf Rechentricks

Das Verfassungsgericht hat Flüchtlingen ein Recht auf das deutsche Existenzminimum zugestanden. Doch CSU-Politiker wollen ihnen trotzdem weniger geben.

Die Arbeitsministerin muss den Innenminister belehren: „Menschenwürde ist unteilbar“. Bild: dapd

BERLIN taz | Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war deutlich. Doch Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will es nicht akzeptieren. Er halte es „nach wie vor für richtig“, dass Asylsuchende mit weniger Geld leben müssten als Hartz-IV-Empfänger, sagte er kürzlich bei einer Veranstaltung in Bamberg.

Damit stellte sich Friedrich gegen die obersten Hüter der deutschen Verfassung, die am 18. Juli erklärt hatten, die Sozialleistungen für Asylsuchende seien „evident zu niedrig“ und müssten neu berechnet werden. Derzeit bekommt ein erwachsener Asylbewerber 225 Euro im Monat. Der reguläre Hartz-IV-Satz liegt bei 374 Euro. Es sei unzulässig, Asylbewerbern das gesetzliche Existenzminimum pauschal vorzuenthalten, urteilte Karlsruhe.

Friedrich fürchtet jedoch, dass damit „noch mal mehr Wirtschaftsflüchtlinge“ angezogen würden. Dass dies nicht geschehe, dafür werde Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sorgen, gab er sich in Bamberg sicher: „Die wird die Sätze so ausrechnen, dass der Abstand zu den Hartz-IV- und Sozialhilfesätzen gewahrt bleibt.“

Doch von der Leyen gab ihrem Kabinettskollegen am Donnerstag Contra: „Menschenwürde und Existenzminimum sind unteilbar und unabhängig von Asylpolitik“, sagte sie der taz. „Wir werden die existenznotwendigen Leistungen nach objektiven, verfassungsfesten Kriterien berechnen“, kündigte sie an. Mit anderen Worten: Die Sätze bewusst niedrig anzusetzen, nur um es Flüchtlingen zu vergällen, nach Deutschland zu kommen, soll mit ihr nicht zu machen sein.

Zwanzig Jahre hielten wechselnde Regierungen an der Linie fest, Flüchtlinge in Deutschland mit diskiminierenden Gesetzen zu schikanieren, um möglichst wenige von ihnen anzulocken. Doch diese Abwehrfront bröckelt in diesen Tagen an allen Ecken und Enden.

Schlusslicht Bayern startet „Pilotversuch“

So findet inzwischen auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), geduldete Flüchtlinge sollten an Deutsch- und Integrationskursen teilnehmen. Am Donnerstag kündigte Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) zudem einen „Pilotversuch“ an, Flüchtlingen Bargeld statt der umstrittenen Essenspakete auszugeben. Bayern ist eines der letzten Bundesländer, das bis vor zwei Wochen noch rigoros an den Essenspaketen festhielt.

Gleichzeitig einigten sich die EU-Mitgliedstaaten – inklusive Deutschlands – darauf, die Mindestdauer des Arbeitsverbots für Asylbewerber von zwölf auf neun Monate zu senken. Die FDP würde das Arbeitsverbot am liebsten ganz abschaffen und lehnt Sachleistungen für Asylbewerber kategorisch ab. Doch die CSU stemmt sich dem entgegen: „Was in Brüssel geplant wird, würde zu einer Lockerung unseres restriktiven Asylrechts führen und Missbrauch ermöglichen“, tobte der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt jüngst.

Für Bernd Mesovic von Pro Asyl ist das Ganze noch eine „Scheindebatte“. Er findet: „Wenn die FDP konsequent wäre, dann müsste sie auch dafür eintreten, die anderen Hindernisse zu beseitigen, die Asylsuchenden den Weg auf den Arbeitsmarkt versperren. Beispielsweise die Residenzpflicht, die es Asylbewerbern unmöglich macht, in anderen Bundesländern Arbeit zu suchen.“ Mesovic zählt dazu aber auch die Vorrangprüfung: Erst wenn kein Deutscher einen bestimmten Job will, kommt ein Asylbewerber zum Zug. Wenn sich daran nichts ändere, „dann stehen die Leute künftig eben drei Monate früher in einer Warteschlange, in der sie praktisch keine Chance haben“, so Mesovic.

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7 Kommentare

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  • R
    Ralph

    Wird Zeit, daß Schluß ist mit der Nationalstaaterei - wir brauchen endlich den "Europäischen Staatsbürger" und den "Europäischen Staat".

     

    Dann wäre Schluß mit der "Ausländerei". Wenn kümmert's, wo ein Amsterdamer, Valencianer, Warschauer oder Berliner wohnt, arbeitet, urlaubt oder Steuern zahlt?

     

    Dann müßte auch wieder Schluß sein mit dem Euro-Gewurstele - ein Staat Europa; eine Währung Euro.

  • DB
    Dietmar Brach

    Letztlich ist es doch längst üblich, sich nicht an die Vorgaben unserer Verfassung zu halten, wenn dies aus fiskalpolitischen Interessen notwendig erscheint. Das Existenzminimum "Hartz IV" über dessen Höhe lang und breit diskutiert wurde, kann jederzeit ohne Richterspruch gekürzt oder gestrichen werden. Wer etwa mit abgeschlossener Ausbildung und vielen Jahren Berufserfahrung ein unbezahltes Betriebspraktikum ablehnt, weil er dies als Ausbeutung sieht, kann seinen kompletten Leistungsanspruch verlieren. Die Sanktionen des SGB II sind längst ein politisches Instrument. Wer etwa in einem Vorstellungsgespräch bei einer Zeitarbeitsfirma seine persönliche Meinung bezüglich Zeitarbeitsfirmen abgibt, wird, wenn diese nicht der neo-liberalen Position entspricht sanktioniert. Wer etwa seine Gewerkschaftstätigkeit in seinem Lebenslauf erwähnt, läuft ebenso Gefahr sanktioniert zu werden, wie derjenige, der im Vorstellungsgespräch wahrheitsgemäß angibt, dass er sich um die Stelle nur deshalb bewirbt, weil er sonst mit Sanktionen rechnen muss. Dies ist der Status Quo im Rechtsstaat Deutschland. Das Recht auf freie Meinung existiert für Leistungsempfänger nach dem SGB II nur so weit, wie es den fiskalpolitischen Interessen entspricht.

    Wo bleibt da eigentlich die Stimme eines Bundespräsidenten der sich Freiheit als höchstes Gut auf die Fahnen geschrieben hat?

    Dietmar Brach, Wiesbaden

  • IU
    Im Urlaub

    Kommt mir immer häufiger in den Sinn aktuell, jetzt auch noch der IM...

    Adorno:"Ich habe keine Angst vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten"

  • DB
    Dietmar Brach

    Frau von der Leyen befindet sich im Widerspruch. Die Sozialleistungen nach dem SGB II sind ja keineswegs durch den Sozialstaat und das Grundgesetz als logische Folgerung für die Betroffenen gesichert. Sie können bei kleinsten Verstößen drastisch gekürzt oder sogar ganz eingestellt werden. Wenn Frau von der Leyen nun, übrigens zu Recht, die Gleichstellung bei dem Anspruch auf ein sich aus dem Grundgesetz ergebendes Recht auf ein Existenzminimum zwischen Flüchtlingen und allen anderen Bürgern feststellt, so müsste sie konsequenterweise auch die Möglichkeit von Kürzungen bei den Leistungen als rechtswidrig ansehen. Ansonsten kommt es zu der Situation, dass Flüchtlinge ein garantiertes Existenzminimum haben, während bei Arbeitssuchenden dies nicht der Fall ist.

  • H
    Hans
  • T
    Thorben

    wenn es wenigstens Flüchtlinge wären... was können wir für deren Überbevölkerung?

  • C
    Celsus

    Das nach der Verfassung verpflichtend zu zahlende Minimum wollen da Politiker in Kenntnis der eindeutigen Rechtsprechung des Budnesverfassungsgerichtes nicht zahlen?

     

    Das ist eine kämpferische Gesinnung der entsprechenden CSU-Politiker gegen das Sozialstaatsprinzip unserer Verfassung. Ein unabänderliches Verfassungsgut unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das dürfte letzen Endes damit eine verfassungsfeindliche Gesinnung sein.

     

    Freilich wird niemand bereit und in der Lage sein, derartige Besterbungen der CSU zu unterdrücken. Die wahren Gefahren für unsere Verfassung gehen damit aus der sogenannten Mitte unserer Gesellschaft aus.