Unicef-Provisionsskandal: Sündenbock Simonis
Die Unicef-Führung hat genug von der Krise und möchte die Kritiker mit einem Eckpunkte-Papier befrieden. Ihr Sündenbock: die Ex-Vorsitzende Heide Simonis.
BERLIN taz Energisch tritt Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen vor die Kamerameute. Ihre entschlossene Miene soll zeigen, worum es jetzt gehen soll für das Kinderhilfswerk: einen Neuanfang. Unter dem Motto "Blick nach vorn" stellte Christiansen am Mittwoch gemeinsam mit der Unicef-Führung die Strategie vor, mit der sich die Hilfsorganisation aus der Krise befreien will, in die es wegen hoher Beraterhonorare und laxer Vertragsvergabe geraten war.
"Das Vertrauen in Unicef muss jetzt durch ein neues Konzept der Kommunikation und der Erkenntnis hergestellt werden", sagte Reinhard Schlagintweit, der vorübergehend das Amt des Unicef-Vorsitzenden ausübt. Die Organisation habe nicht ausreichend kommuniziert, dass ihre Arbeit nicht ohne Verwaltungsausgaben möglich sei, sagte Schlagintweit.
Gleichzeitig kritisierte er Heide Simonis, die am Wochenende als ehrenamtliche Unicef-Vorsitzende zurückgetreten war. Er sprach von einem "Problem Simonis" und vom "mangelnden Willen oder Fähigkeit, sich in schwieriger Lage hinter das Komitee zu stellen". Auch Christiansen äußerte sich in Bezug auf Simonis "enttäuscht, dass wir nicht gemeinsam etwas aus der Krise gemacht haben". Unicef-Botschafterin Christiansen betonte, sie werde ihre Funktion behalten und ihr Engagement sogar noch verstärken. "Trotz Fehlern und Krise, diesen Vertrauensverlust hat Unicef nicht verdient", sagte die ehemalige Fernsehmoderatorin. Allerdings seien im Krisenmanagement "immens große Fehler gemacht worden", die das Vertrauen gerade der ehrenamtlichen Unterstützer erschüttert hätten. Carmen Creutz, die Vertreterin der rund 8.000 Unicef-Ehrenamtlichen, bezeichnete die Krise denn auch als "Albtraum". Es habe sie geschockt, getroffen und verunsichert, wie ihre Arbeit geschädigt worden sei, sagte sie. Auch Heide Simonis habe mit ihrem Verhalten dazu beigetragen. Berichte, dass sich viele ehrenamtliche Spendensammler von der Organisation abwenden würden, wies sie zurück.
Der ARD-Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert, Mitglied des Unicef-Vorstands, stellte sechs "Eckpunkte für nächste Schritte" vor, mit dem Unicef das Vertrauen von Sammlern und Spendern zurückgewinnen will. Unicef solle ein Leitbild entwickeln, "wie die Ziele der Organisation im Spannungsfeld zwischen professionellem Handeln und ethischen Maßstäben zu erreichen sind". Zudem wolle die Geschäftsleitung mit Hilfe externer Fachleute mehr Transparenz schaffen. Außerdem sieht das Papier eine ausführlichere Finanzberichterstattung, neue Regeln für die Kontrolle von Ausgaben und Verträgen sowie eine Überprüfung der Vereinsstruktur vor.
Personelle Veränderungen sind derweil nicht zu erwarten. Geschäftsführer Dietrich Garlichs sagte, er habe sich gegen einen Rücktritt entschieden. Dies wäre ein Signal gewesen, dass die gegen ihn und das Unicef-Komitee gerichteten Vorwürfe der Verschwendung und Intransparenz berechtigt seien. Diesen Verdacht aber weist Garlichs nach wie vor weit von sich.
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