Wahl zur Verfassungsrichterin: Uni prüft Plagiatsvorwürfe
Die Uni Hamburg untersucht die Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf. Dabei scheinen die Vorwürfe ausgeräumt. Warum wird die Uni trotzdem tätig?

Es liegt nahe, dass es sich um die gleichen Inhalte handelt, die auch der Plagiatsprüfer Stefan Weber veröffentlicht hat. Auf seinem Blog zeigt er Parallelen zwischen der Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf und der Habilitationsschrift ihres Ehemanns Hubertus Gersdorf auf.
Hat sie abgeschrieben? Sehr unwahrscheinlich, erschien seine Habilitationsschrift doch erst nach ihrer Doktorarbeit. Ein von den Eheleuten selbst in Auftrag gegebenes Gutachten von einer Anwaltskanzlei entlastet sie zusätzlich. Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) hält die Plagiatsvorwürfe inzwischen für haltlos.
Mehrheit für die Kandidatin schwand
Der Bundestag sollte Brosius-Gersdorf vor gut zwei Wochen zur neuen Bundesverfassungsrichterin wählen, gemeinsam mit zwei anderen Kandidat*innen. So hatten es Union und SPD besprochen. Doch die Wahl wurde in letzter Minute von der Tagesordnung genommen, da die Mehrheit aus der Unionsfraktion für die SPD-Kandidatin schwand.
Hintergrund war eine regelrechte Hetzkampagne gegen Brosius-Gersdorf in den Tagen vor der Wahl. Dabei ging es um ihre liberale Position zu Schwangerschaftsabbrüchen. Lebensschützer*innen und Rechte demonstrierten und verbreiteten Unwahrheiten in den sozialen Medien. Brosius-Gersdorf erhielt sogar Drohungen. Im Fernsehinterview mit Markus Lanz hatte Brosius-Gersdorf dann klargestellt: „Richtig ist, dass ich für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase eingetreten bin. Straffrei ist er schon heute, aber er ist rechtswidrig und ich bin der Meinung, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen rechtmäßig sein sollte.“
Am Morgen der geplanten Wahl tauchten dann auf einmal auch noch die Plagiatsvorwürfe gegen sie auf, die nun offensichtlich auch die Uni Hamburg erreicht haben. Dabei sind die Vorwürfe inzwischen fast genauso schnell wieder vom Tisch, wie sie aufgetaucht sind.
Dass ein Plagiatsjäger wie Weber seine Analyse veröffentlicht, reicht der Uni Hamburg allerdings nicht für eine Prüfung aus. Dafür braucht es schon einen ordnungsgemäßen Antrag bei der Ombudsstelle. Schwierig ist das allerdings nicht: Jede Person könne Hinweise an die Ombudsstelle der Uni einreichen, sagt Lemonakis. „Die Ombudsstelle ist verpflichtet, allen begründeten Hinweisen nachzugehen, um Integrität und wissenschaftliche Qualität zu sichern.“
Das Wort „begründet“ ist hier jedoch etwas irreführend. Beim Einreichen des Antrags seien konkrete Hinweise und Anhaltspunkte nötig, sagt Lemonakis. „Es sagt noch nichts über die Qualität, Plausibilität, Bedeutung oder Richtigkeit dieser Hinweise aus.“ Ob die Hinweise belastbar und hinreichend konkret einen möglichen Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis darlegen, werde nun geklärt.
Uni Hamburg prüft ob sie prüfen soll
Derzeit befinde man sich in der sogenannten Vorprüfung. Die Uni folge dabei einem etablierten Verfahren mit immer gleichen Abläufen und festen Regularien, „unabhängig davon, um wen es sich handelt“. Dazu zählt neben strikter Vertraulichkeit die Unschuldsvermutung.
Wann genau die Vorprüfung endet, ist nicht klar. Sollte sich herausstellen, dass die Hinweise zutreffen und sollte es dann tatsächlich zu einem Verfahren kommen, hat Brosius-Gersdorf die Möglichkeit zur Stellungnahme und könnte auch ihr Gutachten vorlegen.
Brosius-Gersdorf ist bei der Wahl der drei neuen Bundesverfassungsrichter*innen noch nicht aus dem Rennen. Die SPD hält an ihr fest, ebenso an ihrer zweiten Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold. Die Union hatte Günter Spinner vorgeschlagen. Wie es weitergeht, ist derzeit unklar. Der Bundestag hat Sommerpause. Das Bundesverfassungsgericht bleibt immerhin arbeitsfähig.
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