piwik no script img

Uni-Streichungen"Ohne Uni wär hier gar nichts los"

Lübeck sieht sich bei Sparplänen im Hochschulbereich stark benachteiligt gegenüber Kiel. Das Kieler Ministerium spricht von "Kräfte bündeln".

Bald selbst ein Notfall? Die Lübecker Uni-Klinik. Bild: dpa

Drei Uni-Städte hat Schleswig-Holstein: Kiel, Lübeck und Flensburg. Doch nur die beiden kleinen sollen jetzt unter den Sparplänen leiden. Flensburg verliert die Wirtschaftswissenschaften, Lübeck die in Rankings seit Jahren auf Platz 1 gelobte Medizin. Deswegen trat jetzt der für alle drei Hochschulen zuständige Universitätsrat zurück.

"Wir müssen dafür sorgen, dass wir nicht griechische Verhältnisse bekommen", wirbt Harald Haase vom Wissenschaftsministerium für Verständnis. Die Christian Albrechts-Universität in Kiel mit Schwerpunkt Zahnmedizin sei "auf dem Sprung zur Eliteuniversität". Da gelte es "Kräfte zu bündeln". Mit 7,5 Millionen Euro wird sie bis 2012 unterstützt, um sich für die Exzellenzinitiave II des Bundes zu bewerben.

"Für zwei Medizinstandorte ist das Land zu klein", findet CDU-Hochschulpolitiker Daniel Günther. Medizin-Studienplätze seien sehr teuer. Das Land bilde nur 60 Prozent für den Eigenbedarf aus. "Es ist besser, eine Fakultät zu schließen, als an beiden Orten mit den Plätzen runter zu gehen." Das sieht der Präsident der Uni Lübeck, Peter Dominiak, ganz anders. "Deutschland fehlen 15.000 Mediziner, vor allem auf dem flachen Land." Schleswig-Holstein liege nicht an der Spitze bei der Mediziner-Ausbildung, sondern "im Mittelfeld". Auch die Uni Lübeck wäre gern Elite-Universität und hatte beim ersten Exzellenzwettbewerb gemeinsam mit Kiel Geld für einen Exzellenzcluster "Entzündungsforschung" gewonnen. Jetzt würde Dominiak gern wieder eine Bewerbung einreichen. "Mir wurde im Ministerium gesagt: ,Das dürfen Sie nicht."

Das Sparpaket

Schleswig-Holstein muss von 2011 bis 2020 1,25 Milliarden Euro sparen. Die vorläufige Streichliste trifft die Hochschulen wie folgt:

Lübeck soll ab 2011/12 keine Mediziner mehr ausbilden. Der Wegfall von 1.500 Plätzen soll bis 2020 150 Millionen Euro sparen.

Flensburg soll die Wirtschaftswissenschaften mit 800 Plätzen bis 2011/12 beenden. Das würde ab 2017 1,7 Millionen Euro sparen.

Die private FH Wedel bekommt die Zuschüsse von 2,2 auf bis 2012 1,6 Millionen Euro gekürzt.

Das Studentenwerk bekommt ein Drittel weniger Geld, Zuschüsse für Wohnheim-Bau fallen weg.

Der Vorwurf der Lübecker: Die Regierung bevorzuge die Uni vor der eigenen Tür. Es sei kein echter Vergleich der Standorte vorgenommen worden, sagt auch Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe. Die als Standort für Medizintechnik bekannte Stadt ist getroffen. "Ohne Uni wäre hier gar nichts los", riefen etwa 700 Studierende auf einer Spontandemo nach Bekanntwerden. "Wir fühlen uns hier sehr wohl", sagt Student Johannes Knierer. "Wir fragen uns: Was soll aus dem neu errichteten Hochschulstadtteil werden?" Asta-Referent Georg Engelbart sagt: "Wir fühlen uns veräppelt. Wenn man unsere Bewerbung zur Exzellenzinitiative gar nicht erst erlaubt, ist das kein fairer Wettbewerb."

Seit Anfang der Woche keimt plötzlich wieder Hoffnung auf: FDP-Chef Wolfgang Kubicki hatte vor Studierenden gesagt, die Medizin-Fakultät werde nur geschlossen, wenn die Fraunhofer-Gesellschaft in Lübeck ein Institut für Marine Biotechnologie mit 300 Mitarbeitern aufbaue. Fraunhofer-Präsdient Hans-Jörg Bullinger hatte aber gesagt, die Schließung der Medizin wirke sich negativ auf "Medizintechnik und wirtschaftliche Entwicklung der Region" aus und beeinträchtige "Randbedingungen" für das geplante Institut.

Kubicki versprach daraufhin, die Sache neu zu entscheiden, sollte diese Kompensation entfallen. "Kubicki rudert zurück", titelten die Lübecker Nachrichten.

In der FDP-Fraktion dämpft man die Hoffnung. "Wir haben keine Veranlassung zu glauben, dass das Institut nicht kommt", sagt Sprecher Frank Zabel. Und auch wenn, müsse woanders eben mehr gespart werden.

Auch in Flensburg ist man von der Spar-Giftliste getroffen. Zwar soll dort die Lehrerausbildung erhalten bleiben. Dafür werden 800 Plätze der Wirtschaftswissenschaften gestrichen, darunter auch ein gemeinsamer Studiengang mit der Uni Süd-Dänemark. Einsparsumme: 1,7 Millionen Euro, das sind 2.125 Euro pro Platz. Die Streichung sei "eine strukturpolitische Katastrophe und ein Affront gegen Dänemark", schreibt die Flensburger Uni-Leitung. Laut Wissenschaftsministerium gibt es genug Wirtschaftsstudiengänge anderswo. "Man kann diese Nähe zu Dänemark nicht verlagern. Sie hat dieser Region viele Drittmittel eingebracht", hält der grüne Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen dagegen.

Er wirft der Regierung "Konzeptlosigkeit" vor und fordert einen Hochschulgipfel.

Das Land exportiert Studierende, hat nur rund 48.000 eigene Studienplätze für 60.000 studierende Landeskinder - und muss laut Hochschulpakt bis 2020 10.000 Studierende zusätzlich aufnehmen. Ob das angesichts der finanziellen Lage gelinge, sagt CDU-Politiker Günther ganz offen, "bleibt tatsächlich abzuwarten".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!