■ Ungedeckter Scheck im Kulturetat: Mogelpackung
In der Sparrunde für den Doppelhaushalt 1995/96 ist der Kulturetat vergleichsweise glimpflich davongekommen. Zu Recht hat Kultursenator Ulrich Roloff-Momin darauf verwiesen, daß im vergangenen Jahr mit der Schließung zweier Theater die Kultur kräftig geschröpft wurde. Nun sollen die Bühnen und Opernhäuser in den kommenden drei Jahren 70 Millionen Mark einsparen. Das Gejammer wird groß sein, doch sind Umstrukturierungen immer noch besser als der Exitus ganzer Spielstätten. Die Konsolidierung durch notwendige Sparvorgaben verdeckt jedoch das Risiko, das sich an anderer Stelle auftut: Rund 148 Millionen Mark, die Berlin von Bonn zur Finanzierung gemeinsamer Institutionen anfordert, werden als „ungedeckter Scheck“ im Landeshaushalt mitgetragen. Es ist ein Scheck, der auf den guten Willen der Bonner Parlamentarier setzt. Verweigert sich jedoch der Bundestag den Wünschen, werden die Kosten notgedrungen auf Berlin umgewälzt werden müssen. Die Strategie des Senats ist so offensichtlich wie gefährlich. Im Falle eines Scheiterns stünden die Bonner Bundestagsabgeordneten als dumpfe Provinzialisten am Pranger, denen der Sinn für die hauptstädtische Ausstattung fehlt. Das Trostlose ist nur, daß Berlin an der verzwickten Lage ein gutes Stück Mitschuld trägt, weil es den Hauptstadtvertrag unterschrieben hat. Dieser sieht nun einmal fürs kommende Jahr keine müde Mark aus Bonn vor. Insofern ist der Kulturetat eine Mogelpackung, weil er lediglich auf den Optimismus baut, die Millionen doch noch loszueisen. Dabei kann niemand vorhersagen, ob der Bundestag – wie jüngst zur Länderfusion mit Brandenburg geschehen – den Berliner Forderungen auch bei der Kultur entgegenkommt. Severin Weiland
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