Ungarisch-slowakischer Konflikt: Nationaler Schlagabtausch
Als Reaktion auf das Passgesetz für ungarische Minderheiten wollen slowakische Nationalisten ein Trianon-Denkmal errichten. Die Polizei fürchtet Zusammenstöße.
WIEN taz | Ungarns nationalistische Politik droht einen ernsten Konflikt zu provozieren. Letzte Woche beschloss das neue Parlament in Budapest, dass ethnische Ungarn in den Nachbarländern ungarische Pässe beantragen können. Jetzt schlagen slowakische Nationalisten zurück. Sie wollen am Freitag in der Grenzstadt Komárno ein Trianon-Denkmal errichten.
Da radikale ungarische Nationalisten Gegenaktionen planen, fürchtet die Polizei Zusammenstöße. Mit dem Vertrag von Trianon wurde 1920 Großungarn zerschlagen. Gleichzeitig entstand die Slowakei, die wenig später mit Böhmen und Mähren in der Tschechoslowakei aufging. Komárno wurde in einen slowakischen Teil, nördlich der Donau, und das ungarische Komárom, südlich des Grenzflusses getrennt.
Komárno ist eine Hochburg der etwa 500.000 Menschen starken ungarischen Minderheit in der Slowakei. Die nationalistische Partei SNS des Ungarnhassers Jan Slota, die sich mit den "Sozialdemokraten" von Premier Robert Fico in einer Koalitionsregierung befindet, will mit der Errichtung des Trianon-Denkmals "den Ungarn zeigen, wo die Trianon-Grenze verläuft und dass Komárno eine slowakische Stadt ist."
In Ungarn wurde der 4. Juni, 90 Jahre nach Trianon, zum nationalen Gedenktag erhoben. Anhänger der faschistischen ungarischen Jobbik, die als drittstärkste Fraktion im Parlament sitzt, planen in Komárno eine Gegenaktion vor dem Denkmal des Heiligen Stephan, der Ungarn vor 1.000 Jahren christianisierte. Konfrontationen gewaltbereiter Gruppen wären programmiert. Zwar beteuern die slowakischen Behörden, die Denkmalerrichtung sei wegen formalen Fehlern nicht genehmigt worden und für die Gegenveranstaltung gebe es nur inoffizielle Quellen, doch ist nicht auszuschließen, dass die Mobilisierung dennoch stattfindet. Nationalismus hat vor allem vor den Parlamentswahlen am 12. Juni in der Slowakei Hochkonjunktur.
Die Anführer der Jobbik-Partei versuchen auszureizen, wie weit sie unter dem rechtspopulistischen neuen Premier Viktor Orbán gehen können. Für den "Trianon-Gedenktag" haben sie die Gründung einer Nebenarmee angekündigt, die aus der verbotenen Ungarischen Garde hervorgehen soll. Das Parteiprogramm verspricht: "Wir werden eine Reservearmee schaffen, die imstande ist, die reguläre Armee zu unterstützen, personell zu verstärken und nationale Werte zu schützen." Da die regierende Fidesz paramilitärische Formationen nicht zulassen will, plant Parteichef Gábor Vona, seine Truppe als "Bürgerbewegung" zu tarnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten