piwik no script img

Unfallgefahren in AfrikaDie tödlichste Straße der Welt

In Uganda sterben mehr Menschen im Straßenverkehr als an Malaria und Aids. Unterwegs mit einer Polizistin zwischen Kampala und Masaka.

Polizeikontrolle auf der Straße Kampala-Masaka Foto: Simone Schlindwein

Kampala taz | „STOP – Polizeikontrolle!“, steht auf dem knallroten Schild mitten auf der dreispurigen Fahrbahn. Dahinter liegt ein Nagelbrett. Mit einer Handbewegung signalisiert Verkehrspolizistin Edith Nanteza dem Kleinwagenfahrer, stehen zu bleiben. „Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte“, sagt sie bestimmt. Der zögert: „Ich muss Ihnen das erklären“, stammelt er. Nanteza winkt ab, Ausreden lässt sie nicht gelten. „Keinen Führerschein? Dann bitte aussteigen, Sie sind verhaftet!“

Auf der Rückbank des ­Autos zanken Kinder. Die Frau des Fahrers auf dem Beifahrersitz stillt ihr Baby. „Ich habe alle Papier in der Eile zu Hause vergessen“, stammelt er, „mein Onkel ist überraschend gestorben, wir sind auf dem Weg zu Beerdigung.“

Aber die Polizistin bleibt eisern und winkt einen Kollegen herbei. Wortlos setzt er sich auf den Fahrersitz und fährt das Fahrzeug samt Familie zum örtlichen Gerichtsgebäude neben der Polizeistation. Dort wird der Vater angeklagt und in eine Zelle gesperrt. Und Edith Nanteza holt ihr Handy heraus, um ihrer Vorgesetzten in der Hauptstadt Kampala die Festnahme zu melden.

Seit Anfang August ist Ugandas Verkehrspolizei landesweit im Dauereinsatz. Die Kontrollen auf den Straßen wurden verstärkt, mit einer Nulltoleranzpolitik will die Polizei Falschfahrer aus dem Verkehr ziehen. Die Operation heißt Fiika Salama – „Gutes Ankommen!“ Seitdem fährt Nanteza in ihrem Streckenabschnitt entlang der Überlandstraße Zwölf-bis-sechzehn-Stunden-Schichten. Tag und Nacht kontrolliert sie jedes einzelne Fahrzeug, das vorbeikommt. „Ich bin quasi mit dieser Straße verheiratet“, sagt sie.

Verkehrsanzeigen im Minutentakt

Der Streckenabschnitt im Landkreis Mpigi, für den sie zuständig ist, ist Teil der derzeit gefährlichsten Straße der Welt. Mehr als 200 Menschen verloren allein im ersten Halbjahr 2016 zwischen Ugandas Hauptstadt Kampala und der 130 Kilometer südwestlich gelegenen Kleinstadt Masaka ihr Leben. So viele Tote gibt es selbst auf dem weltweit riskantesten Gebirgspass, dem Yungas-Highway in den Bergen Boliviens, nicht in einem Jahr. Das Todesrisiko ist bei Verkehrsunfällen nicht nur in Uganda, sondern auch in anderen Ländern Afrikas höher als bei Malaria oder Aids.

Sarah Kwibikas Telefon im Polizeihauptquartier in Kampala klingelt ununterbrochen. Sie ist die für die Operation Fiika Salama zuständige Kommissarin, der Polizeichef hat sie beauftragt, Ugandas Straßen wieder sicherzumachen. Im Minutentakt treffen bei ihr Anzeigen aus allen Ecken des Landes ein. Über jeden Zwischenfall landauf, landab will sie sofort informiert werden. Vier Unfälle werden ihr innerhalb einer Stunde durchgegeben, „zum Glück ohne Todesfolgen“, sagt sie. 39-mal ruft Verkehrspolizistin Nanteza an diesem Tag vom Checkpoint in Mpigi aus an, um Festnahmen zu melden.

Als im Juli in einem Polizeibericht die extrem hohen Unfallzahlen veröffentlicht wurden, ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung. In regierungskritischen Tageszeitungen war sofort zu lesen, die Straße sei aufgrund von Misswirtschaft schlecht konstruiert worden: Der Asphalt sei bei Nässe glitschig, die Kurven zu spitz zulaufend – sprich: Korruption sei schuld daran, dass auf Ugandas wichtigster Überlandstraße ein Massaker stattfinde, wie es die Zeitungen nennen.

Die Vorwürfe kommen nicht von ungefähr: Auf Anweisung von Präsident Yoweri Museveni waren im März, kurz nach den Wahlen, alle 700 Mitarbeiter der Straßenbaubehörde wegen Korruptionsverdacht gefeuert worden. Das Parlament setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Der prüft, auf welche Weise die Verträge über den Bau der zahlreichen Straßen landesweit zustande gekommen sind, auch der Bau der Masaka-Straße. Demnächst soll der Ausschuss seinen Bericht vorlegen.

Ein Unfall, der das Land aufrüttelte

Am 2. Juli kam es auch zu einem Massenunfall in Edith Nantezas Streckenabschnitt. Nahe dem Dorf Kampiringisa starben 21 Menschen, mehr als 40 wurden schwer verletzt. Mitte Juli starb auf derselben Straße bei einer ähnlich schweren Kollision ein hochrangiger Kommissar der Verkehrspolizei, mehr als 60 Menschen wurden verletzt.

Seitdem will Polizeikommissarin Sarah Kwibika nach jedem Unfall die Ursache ganz genau herausfinden. „90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen“, sagt sie und zählt auf: zu schnelles Fahren, zu langsames Fahren, riskante Überholmanöver in Kurven, von überladenen Lastwagen gefallene Gegenstände auf der Fahrbahn, nicht fahrtüchtige Fahrzeuge, Alkohol und Drogen am Steuer, Fahren ohne Führerschein. „Viele Fahrer verhalten sich schlichtweg fahrlässig“, sagt sie. Das will sie jetzt ändern. „Wir nehmen jetzt alle Falschfahrer fest, ohne Pardon – jeder muss vor Gericht.“

Dann klingelt wieder ihr Telefon: Edith Nanteza meldet einen schweren Unfall. Die Kommissarin wird bleich, ihre Augen weiten sich. Als sie den Hörer auflegt, glitzern Tränen in ihren Augen. „Eine der Verletzten ist meine Cousine“, sagt sie und eilt ins Krankenhaus.

„Führerschein bitte“, sagt Polizistin Edith Nanteza Foto: Simone Schlindwein

Die 130 Kilometer lange, frisch geteerte Überlandstraße schlängelt sich zwischen Ugandas Hauptstadt Kampala und der Kleinstadt Masaka durch Sumpflandschaften und Täler zwischen grünen Hügeln. Sie ist Teil der Hauptverkehrsachse Ostafrikas. Von Kenias Ozeanhafen Mombasa aus kommend führt sie quer durch Kenia und Uganda. In Masaka teilt sie sich und führt in den Süden nach Tansania und nach Südwesten an die ruandische Grenze; von da aus weiter nach Burundi und in den Ostkongo. Mehr als 20.000 Fahrzeuge rollen hier täglich entlang, darunter zahlreiche schwer beladene Lastwagen. Jedes Reiskorn, jeder Liter Benzin, jedes Plastikteil aus China wird über diese Haupthandelsroute ins Innere des Kontinents transportiert. Die Straße versorgt Ruanda, Burundi, Ostkongo und den dicht besiedelten Süden Ugandas.

Noch vor zehn Jahren war sie voller kratertiefer Schlaglöcher, durch die man nur in Schrittgeschwindigkeit fahren konnte. Von 2009 an wurde auf der Strecke fast sechs Jahre lang gebuddelt und geteert. Die wichtigste Handelsstraße der Region wurde mit internationalen Hilfsgeldern und Krediten der Weltbank ausgebaut: Sie wurde auf drei Spuren erweitert und die Schlaglöcher mit frischen Asphaltschichten versiegelt. Jetzt darf und kann man bis zu 100 Stundenkilometer schnell fahren. Doch seitdem häufen sich die tödlichen Unfälle. Riesige Laster schleichen, meist überladen, durch die Dörfer und werden riskant überholt. Die Lebensader der Ostafrikanischen Union wurde zur Todesstraße.

Die frisch errichteten Leitplanken am Straßenrand sind an unzähligen Stellen bereits komplett demoliert und aus der Verankerung gerissen. So auch nahe des Orts Kampiringisa, wo sich der Massenunfall am 2. Juli ereignete. Ein missglücktes Überholmanöver war ihm vorausgegangen. Der Asphalt ist noch immer schwarz vom Ruß des Feuers. Verkehrspolizistin Nanteza seufzt betroffen, wenn sie von diesem Unfall berichtet. Sie war im Dienst, als in ihrem Streckenabschnitt die Fahrzeuge ineinander rasten. Einen solch schlimmen Unfall wie an diesem Samstag habe sie noch nicht gesehen, sagt sie, dabei ist sie seit zwölf Jahren bei der Verkehrspolizei.

Taxifahrer nennen sie „Massaker-Straße“

Die 40-Jährige trägt eine schneeweiße Uniform. Nach Schichtende sitzt sie in ihrem Büro in der heruntergekommenen Polizeistation der Kleinstadt Mpigi, der Kreisstadt des gleichnamigen Bezirks, durch den der Highway durchführt. Es sind die einzigen geteerten 45 Kilometer im Kreis. Doch damit haben sie und ihre 29 Kollegen genug zu tun.

Sie zeigt auf die selbst gezeichneten Grafiken, die neben ihrem Schreibtisch an der schmutzigen Wand kleben. 337 „schockierende Unfälle“ in Mpigi hat sie im Jahr 2015 darauf verzeichnet, dabei starben 160 Menschen. 346 Unfälle waren es im Jahr 2014. 93 Tote. Und in diesem Jahr? Nanteza kramt ein Blatt Papier hervor, auf dem die Zahlen der einzelnen Monate stehen, und rechnet sie zusammen: 110 Tote auf diesen 45 Kilometern allein in diesem ersten Halbjahr. Den Unfall am 2. Juli nicht mit eingerechnet.

„Diese Straße ist sehr tödlich“, sagt sie. Sie steht auf und geht nach draußen. Der Parkplatz hinter der Polizeistation sieht aus wie ein Schrottplatz: Dutzende zerbeulte, ausgebrannte, zerfetzte und zerdrückte Wracks. Eine Ziegenherde klettert über die Karosserie eines demolierten Kleinlasters. Zu jedem der Schrottfahrzeuge kann Edith Nanteza eine grauenvolle Geschichte erzählen.

Jeder Unfall beweist auch, wie schlecht Ugandas Infrastruktur im Notfall ist. Sie berichtet von Schwerverletzten, die am Unfallort starben, weil der Krankenwagen nicht rechtzeitig eintraf; von Fahrzeugen, die völlig ausbrannten, weil kein Feuerwehrauto zur Verfügung stand. Auch die Unfallfahrzeuge vom 2. Juli liegen hier herum: der komplett zerdrückte Kleinwagen, aus dem sie nur zerfetzte Leichenteile bergen konnte; der Lkw, der sich komplett überschlagen hatte; die beiden Minibus-Taxen, in denen je 14 Menschen dicht gedrängt ohne Anschnallgurt umhergewirbelt wurden.

Drei Monate lang warten die Unfallwagen hier auf ihre Besitzer zur Abholung, sagt Nanteza. Wenn niemand komme, würden sie an einen Schrotthändler verkauft. Die meisten bleiben liegen. „Die Eigentümer dieser Fahrzeuge sind alle tot. Das hier ist ein Autofriedhof.“

Zusammengedrückt wie Ziehharmonikas

Den Unfall an jenem Samstag im Juli wird auch Joseph Kawuma niemals vergessen. Er habe sein Leben nachdrücklich verändert, sagt der Taxifahrer, der in Mpigi am Straßenrand im Schatten eines Baums hockt und auf Kunden wartet. „Seitdem fahre ich viel vorsichtiger“, sagt er. Es war schon spät am Nachmittag, die Sonne stand tief und blendete ihn, als er seine letzte Tour der Woche in Ugandas Hauptstadt Kampala antrat. Er kam gerade von der Beerdigung seines Onkels in Masaka und hatte 15 Passagiere in seinem weiß-blauen Minibus-Taxi sitzen. Kawuma freute sich auf das Wochenende mit seinen fünf Kindern und der Frau, er wollte am Abend Fußball schauen.

Doch dann, kurz hinter dem kleinen Dorf Kampiringisa, rund 50 Kilometer vor Kampala, nahm seine Tour ein schreckliches Ende: Ein Lastwagen lag quer über der Fahrbahn, die Reifen wiesen zum Himmel. Zwei weiß-blaue Minibus-Taxen – dieselben Modelle wie Joseph Kawumas Taxi – lagen zusammengedrückt wie Ziehharmonikas am Straßenrand. Ein weißer Kleinwagen war in der Mitte zerteilt, als hätte man einen Laib Brot entzweigeschnitten. Der Motor war Dutzende Meter weit in den Straßengraben geschleudert worden. „Es floss so viel Blut über die Straße“, sagt Kawuma. Er stammelt, seine Augen zeigen immer noch Entsetzen. Leichenteile hätten in Fetzen auf dem Asphalt gelegen, „überall hörte man Schreie“. Seit diesem Tag heißt die Masaka-Straße bei den Taxifahrern die Massaker-Straße.

Joseph Kawuma hielt an, um zu helfen. Sein erster Gedanke sei gewesen: „Oh Gott, das hätte auch mein Taxi treffen können“, sagt er. Er hatte die Telefonnummer des Kreiskrankenhauses gespeichert. „Aber es war weit und breit kein Krankenwagen verfügbar. Wir haben also vorbeifahrende Autos gestoppt und die Verletzten eingeladen, damit sie sie ins Krankenhaus bringen“, erzählt der 37-Jährige.

Er erinnert sich, wie aus dem nahe gelegenen Dorf Kampiringisa die Einwohner zusammengelaufen kamen. Die Sonne ging rasch unter. „Einige klauten den Toten in der Dämmerung ihre Wertsachen aus den Taschen – das war einfach unglaublich“, stottert Kawuma. Es habe fast eine Stunde gedauert, bis endlich die Polizei am Unfallort eingetroffen sei. Da hatten er und andere Helfer die Verletzten schon im Taxi zur Klinik gebracht.

Diese Unfall rüttelte das Land auf. 21 Tote! 17 Menschen starben in den Fahrzeugtrümmern, vier weitere später im Krankenhaus. Dazu die über 40 schwer Verletzten.

„Seitdem schulen wir unsere Mitglieder in Sachen Sicherheit, Erste-Hilfe-Maßnahmen“, sagt Kawuma, der auch zum Vorstand des Taxifahrerverbands in Mpigi gehört. „Wir zahlen Beiträge ein, damit wir im Notfall die Krankenhauskosten unserer Mitglieder bezahlen können, denn wir haben ja keine Versicherung.“ Dann steigt er in sein blau-weißes Minibus-Taxi am Straßenrand und fährt auf der Todesstraße Richtung Kampala davon, langsam und vorsichtig, seinen Führerschein an der Windschutzschreibe griffbereit eingeklemmt für die Verkehrskontrolle. Er lobt die Operation Fiika Salama.

Das Kreiskrankenhaus von Mpigi wirkt sauber und gepflegt. Hinweisschilder lotsen die Patienten in die Orthopädie, zur Geburtenklinik, zum Labor. In der Unfallchirurgie vergipst Krankenschwester Rachel Namara gerade einem Mann das linke Bein. Er ist mit dem Motorrad verunglückt. „Das ist nur ein leichter Bruch, denke ich“, sagt sie und drückt ihm eine Krücke in die Hand. Der junge Mann lächelt tapfer, als er sich vom Krankenbett hangelt. „Mehr kann ich nicht für ihn tun, wir haben hier ja nicht einmal ein Röntgengerät“, sagt sie entschuldigend. Schwerverletzte verweise sie daher direkt ins staatliche Krankenhaus Mulago nach Kampala, 40 Kilometer entfernt. „So eine Situation wie im Juli sollte nie wieder eintreten“, sagt sie.

Für manche Autos ist hier Endstation: Hinter der Polizeistation Mpigi Foto: Simone Schlindwein

Ihre Schicht war gerade zu Ende. Als sie im Schwesternzimmer ihren Kittel auszog, hörte sie vom Parkplatz her Schreie. Innerhalb weniger Minuten schleppten Leute Dutzende schwer Verletzte an, einer hatte eine offene Schädelfraktur. In der Notaufnahme gibt es nur drei Betten, die übrigen Patienten mussten auf dem Boden liegen. Blut verfärbte den Zement.

Rachel Namara war allein in der Schicht. „Ich musste erst einmal meine Kollegen aus anderen Abteilungen zusammentrommeln, bevor ich mich um die Wunden kümmern konnte“, sagt sie. Dann zeigt sie auf ein paar Pappkartons in der Ecke. „Mullbinden“ steht darauf. Doch der Karton ist schon lange leer. „Wir hatten keine Verbandsmaterialien, keine Handschuhe, nicht einmal genügend Blutreserven, um Erste Hilfe zu leisten“, sagt sie. Vier der Verletzten starben in ihrer Notaufnahme. „Vielleicht wären sie noch am Leben, wenn wir besser ausgestattet gewesen wären.“

Sie zeigt auf den Parkplatz. Dort stehen zwei Krankenwagen, mehr gibt es nicht für den ganzen Landkreis mit mehr als 200.000 Einwohnern. Am Tag des Unfalls im Juli war einer davon in der Werkstatt, der andere hatte kein Benzin im Tank.

In der Zwischenzeit hat unterhalb des Krankenhauses, neben Joseph Kawumas Taxistand, ein Minibus gehalten. Frauen in langen Gewändern und Männer in Priesterroben steigen aus. Sie halten Kruzifixe, eine Bibel und eine Flasche Weihwasser bereit. Während Pfarrer Medad Birungi die Hände gen Himmel streckt und Gott anfleht, die bösen Geister entlang der Teufelsstraße zu vertreiben, huscht ein weiterer Pfarrer über die Fahrbahn und tröpfelt heiliges Wasser auf den Asphalt.

Weihwasser verdampft in der Mittagshitze

Die Frauen beten mit flehenden Stimmen. Sie stammen aus Kenia, Südafrika, Sambia und Uganda. Gemeinsam touren sie quer durch den Kontinent, um Afrikas Todesstraßen zu segnen. „Wir glauben, dass Hexenmeister Tier- und Kindesopfer unter dem Asphalt begraben haben, um die Leute in den Tod zu locken“, sagt der Pastor und gießt erneut Wasser auf die Fahrbahn. In der Mittagshitze verdampft es sofort. „Das ist der Beweis, diese Straße ist Teufelswerk!“, predigt er. „Amen!“, antworten die Frauen im Chor.

Als die Geschichte von den Teufelsaustreibungen entlang des Highways am nächsten Tag in den Medien kursiert, schreibt der Vorsitzende des Verbands der Wirtschaftsschulen in einem Leserbrief. „Was sagen diese Teufelsaustreibungen entlang der sogenannten Massaker-Straße über uns Ugander aus?“, fragt er darin provokant und antwortet selbst: „Wir sind eine Gesellschaft voller rücksichtsloser und fatalistischer Leute, die nicht in der Lage sind, wissenschaftliche Methoden anzuwenden, um unsere Probleme zu lösen.“ Er lobt den Ansatz der Verkehrspolizei, die Verkehrssünder auf ihren Leichtsinn hinzuweisen, anstatt den Scharlatanen Raum zu geben, die Ursachen im Aberglauben zu suchen.

Einige Stunden sind seit der Festnahme des Familienvaters ohne Führerschein vergangen. Auf dem Gelände des Bezirksgerichts in Mpigi öffnet Verkehrspolizistin Edith Nanteza die engen Gefängniszellen. 39 Männer, darunter er, treten in den Hof und marschieren im Gänsemarsch zum Gerichtssaal. Die Richterin ruft die Angeklagten einzeln auf. Eine Staatsanwältin verliest die Delikte. Die meisten der Fahrer wurden ohne gültigen Führerschein erwischt.

Der Familienvater, den Verkehrspolizistin Nanteza am Vormittag aus dem Verkehr gezogen hatte, bekennt sich schuldig. Seine Fahrerlaubnis sei abgelaufen, und er habe nicht rechtzeitig eine neue beantragt, gibt er zu. Dafür muss er eine Strafe von 100.000 Schilling zahlen, umgerechnet rund 26 Euro – viel Geld für ugandische Verhältnisse. Er habe seine Lektion gelernt, sagt er reumütig, als er aus dem Gerichtssaal tritt.

Verkehrspolizistin Nanteza steht auf dem Parkplatz der Gerichts und lächelt dem verurteilten Verkehrssünder aufmunternd zu. „Es ist doch alles nur im Sinne der Sicherheit“, sagt sie und wünscht: „Fiika Salama!“, gutes Ankommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!