Unesco-Weltkulturerbe Rheintal: Der Kampf um die Brücke
Im Mittelrheintal nahe der Loreley plant Rheinland-Pfalz den Bau einer Brücke. Ob die den Weltkulturerbestatus der Landschaft gefährdet, prüft die Unesco jetzt.
LORELEY taz | Bei der Überrheiner Gold Weinbau GbR Becker und Schmelzeisen verläuft die Meinungsgrenze quer durch das Familienunternehmen. Der Seniorchef ist eher gegen den von der rheinland-pfälzischen Landesregierung geplanten Bau einer Straßenbrücke über den Rhein ein paar Stromkilometer flussaufwärts in der Nähe des Loreleyfelsens. Der Junior eher dafür. Das Mittelrheintal müsse "an die neue mobile Zeit angebunden werden", sagt er. Der beschauliche Fährbetrieb sei "von vorgestern".
Der Vater widerspricht. Wenn die Fähren endlich auch in der Nacht verkehren würden, könne man sich die 40 Millionen Euro für den Brückenbau sparen, sagt er. Zudem gefährde das Bauwerk doch den von der Unesco dem Mittelrheintal mit seinen rund 70 Burgen und Schlössern erst 2002 verliehenen Status eines Weltkulturerbes.
Eine Aberkennung dieses Titels aber, der in den letzten Jahren wieder mehr Touristen aus ganz Europa in die historische Weinbauregion lockte, wäre eine Katastrophe für alle Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe. Und auch für die Winzer am Mittelrhein, die gerade dabei sind, sich mit einer Qualitätsoffensive von ihrem bislang eher schlechten Ruf zu verabschieden. Das weiß auch der Junior.
Und die Landesregierung. Man werde auf der Tagung des Welterbekomitees der Unesco, die am Sonntag in Brasilia begonnen hat, "nicht so massiv auftreten wie damals die Delegation aus Dresden, als es um die Waldschlösschenbrücke im Elbtal ging", sagte Kulturstaatsekretär Walter Schumacher kurz vor dem Abflug in die brasilianische Hauptstadt. Für die Regierung Kurt Beck (SPD) bekundete Schumacher denn auch vorab schon einmal seinen "Respekt" vor der Entscheidung der Unesco, auch wenn das Komitee den Brückenbau am Ende tatsächlich für unvereinbar mit dem Weltkulturerbestatus erachten sollte. Man müsse dann halt "neu überlegen, was zu tun ist".
Fakt ist, dass es zwischen Mainz und Koblenz - das sind rund 100 Stromkilometer - keine Rheinbrücke gibt. Wer linksrheinisch etwa in St. Goar wohnt und mit der Autofähre 500 Meter über den Rhein geschippert ist, um Verwandte im rechtsrheinischen St. Goarshausen zu besuchen, muss, wenn er die letzte Fähre verpasst hat, 30 Kilometer bis Koblenz fahren und dann auf der anderen Rheinseite wieder 30 Kilometer zurück, um nach Hause zu kommen.
Die in mehreren lokalen Initiativen engagierten Brückenbefürworter wollen zudem nicht länger hinnehmen, "dass die Orte vergreisen und ausbluten", weil die Jugend in Regionen mit günstigeren Verkehrsanbindungen und einem größeren Arbeitsmarkt abwandere, wie es in einer Erklärung der "IG Rheinbrücke muss her!" heißt. Und weil man die im Architektenentwurf durchaus beeindruckend schwungvolle Brücke bei Fellen von der Loreley aus gar nicht sehen werde, könne sie ja wohl die Touristen nicht stören, wie von den Brückengegnern behauptet.
Die Brückengegner, etwa vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) oder den Grünen, haben aber eigentlich andere Sorgen. Sie befürchten, dass nach dem Brückenbau der öffentliche Nahverkehr "zusammenbricht", weil kein Mensch mehr mit der Bahn anreise oder Busse benutze. Der von der Brücke zusätzlich angelockte Autoverkehr werde dann den CO2-Ausstoß in der Region verdoppeln. Der VCD fordert deshalb eine "kurzfristige Verbesserung des Fährverkehrs durch längere Bedienzeiten und günstigere Tarife". Damit könne "allen sofort geholfen werden". Der Überrheiner Gold Weinbau GbR auch. Ihr bestes Terroir, der Kauber Backofen, liegt schließlich auf der anderen Rheinseite.
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