: Uneinigkeit bei Lohnfortzahlung
■ Bezirke sind gespalten, ob für kranke „Hilfe für Arbeit“-Beschäftigte weniger Lohn gezahlt werden muß
In den Bezirken herrscht Uneinigkeit, ob die 20prozentige Lohnkürzung im Krankheitsfall bei „Hilfe zur Arbeit“-Beschäftigten angewandt werden muß. Laut Sozialstadtrat Michael Szulczewski (CDU) werde in Hohenschönhausen die Weisung der Sozialstadträtin Beate Hübner (CDU) derzeit vom Rechtsamt geprüft. „Solange es hier keine eindeutige Entscheidung gibt, zahlen wir weiterhin 100 Prozent Lohn“, sagt Szulczewski. Er fordert einen „flächendeckenden“ Beschluß des Senats für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und des Zweiten Arbeitsmarktes. Es könne nicht angehen, daß das Gehalt bei Krankheit nur bei den „Ärmsten der Armen“ abgezogen werde. 3.000 SozialhilfeempfängerInnen sind von der Regelung betroffen.
Auch für die bündnisgrüne Wilmersdorfer Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer ist die Lohnkürzung nicht geklärt. Sie kritisiert den Senat, daß die „unklare Rechtslage politisch ausgenutzt“ werde. Sozialsenatorin Hübner habe die Bezirke angewiesen, das Entgeltfortzahlungsgesetz anzuwenden, ohne daß es bisher einen Senatsbeschluß gebe. Es sei ein „Unding“, daß die Lohnkürzung im Krankheitsfall gerade bei dieser sozial schwachen Personengruppe angewandt werde.
Auch das Sozialamt Tempelhof zahlt nicht „vorschnell“ den verminderten Lohn für die „Hilfe zur Arbeit“-Beschäftigten. Diese sollen über das Programn wieder Anschluß an den Arbeitsmarkt finden. „Wir lassen es derzeit rechtlich prüfen“, sagt der für die SozialhilfeempfängerInnen zuständige Abteilungsleiter Jürgen Schmitt.
Nicht nur in Charlottenburg, sondern auch in Schöneberg wird Beate Hübners Weisung dagegen schon umgesetzt — obwohl die bündnisgrüne Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer gegen eine Lohnkürzung ist. Sie habe jedoch keine Möglichkeiten, „dem Sozialstadtrat zu sagen, was er tun soll“. Sozialstadtrat Diethard Rauskolb (CDU) in Tiergarten geht von einer „eindeutigen Rechtslage“ aus. Deswegen werde in seinem Bezirk seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes am 1. Oktober nur 80 Prozent gezahlt. Jedoch findet es auch der CDU-Sozialstadtrat „bedauerlich“, daß bei den sozial Schwachen Lohn im Krankheitsfall gekürzt werden müsse. Julia Naumann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen