: Und wie steht's mit Japan?
■ Tendenz fallend: Theatermacher diskutierten Situation in BRD und Frankreich
In Deutschland werden nun schon seit einiger Zeit Subventionen gekürzt, Theater geschlossen, Spielpläne zusammengestrichen. Es fehlt an Geld und Einfällen. Von einer fruchtbaren Debatte ganz zu schweigen. Das Berliner Theatertreffen, denkt man sich, ist der richtige Ort, um ein bißchen zu diskutieren. Und vielleicht auch einen Blick über den verkrusteten Tellerrand der Kulturnation zu wagen. Am Donnerstag versammelte darum der Berliner Journalist Eberhard Spreng im Spiegelzelt vier Theatermänner zu einer Gesprächsrunde über das deutsche und französische Theatersystem: „Der kleine Unterschied oder Vive la différence?“
Spreng, ausgewiesener Kenner des französischen Theaters, wies auf die unterschiedlichen Produktionsbedingungen in beiden Ländern hin. In Frankreich wird projektbezogen gearbeitet: Für jede einzelne Inszenierung stellen sich Regisseure ihre Schauspieler, künstlerischen Mitarbeiter und Techniker neu zusammen – während an den deutschen Häusern ein Regisseur mit dem vorhandenen Ensemble arbeiten muß.
So recht wollte allerdings keiner der Gäste der These des Moderators folgen, daß aus den unterschiedlichen Produktionsbedingungen unterschiedliche Ästhetiken entstehen, kurz: das französische Theater viel toller sei als das deutsche. Jean-Louis Martinelli, Intendant des Nationaltheaters Strasbourg, wies darauf hin, daß die französischen Theatergruppen unter dem gleichen Druck stünden wie die deutschen Schauspielhäuser: mit immer weniger Geld auszukommen.
Besonders schlimm scheint es hierzulande jedoch noch nicht zu sein, glaubt man Wolfgang Engel, dem fröhlichen Leipziger Intendanten. Er sehe längst noch keine Notwendigkeit für eine Alternative zum System des Subventionstheaters: „Okay, das System des deutschen Stadt- und Staatstheaters ist dabei unterzugehen. Aber dieser Prozeß wird dauern.“ Also: zurücklehnen. Offensichtlich harrt man in Leipzig recht munter dem schleichenden Theatertod. Auch der deutsch-französische Schauspieler André Wilms, zuletzt im „Pol“ an der Schaubühne zu sehen, wollte den unterschiedlichen Produktionsarten nicht zu viel Bedeutung beimessen. Was fehle, seien neue Formen und neue Inhalte. Dem gesamten europäischen Theater, so Wilms, mangele es an Bissigkeit, am Mut zur Zerstörung: „Aber jetzt klinge ich irgendwie wie ein doofer 68er, oder?“
Eine wirkliche Diskussion kam nicht zustande. Die Podiumsteilnehmer waren mit ihren jeweiligen Theaterstrukturen ganz zufrieden. Etwas mehr hätte vielleicht Jossi Wieler beitragen können. Der freie Regisseur ist ein ganzes Stück jünger als seine drei Kollegen und dürfte dem langsamen Erlöschen des Subventionsfeuers nicht so gelassen entgegensehen.
Doch dann sollte er nur davon erzählen, wie es so war, als er neulich in Japan den „Herrn Paul“ inszenierte. Und ob das Theater in Japan anders funktioniert als in Europa. Dazu hatte Wieler aber spürbar keine große Lust – und mit einer Debatte über deutsche und französische Theater hätte das ja auch nur wenig zu tun gehabt. Kolja Mensing
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