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Unbewaffnete starbenTödliche Polizei-Elektroschockwaffen

Amnesty International zeigt am Beispiel USA die Gefährlichkeit angeblich nicht tödlicher sogenannter Taser-Waffen.

Eines der Opfer, das durch einen Taser-Angriff strab: der polnische Immigrant Robert Dziekanski. Bild: ap

BERLIN taz Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) fordert von Innenbehörden, den Einsatz von Elektroschockwaffen bei Polizeieinsätzen auszusetzen oder zumindest auf für Polizisten lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht über den Einsatz solcher Waffen in den USA heißt es, die Behauptung, sogenannte Taser seien keine tödlichen Waffen, halte einer Überprüfung nicht stand. So starben zwischen 2001 und August 2008 laut ai in den USA 334 Menschen im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen.

Die Studie stützt sich auf 98 Autopsien und kommt zu dem Schluss, dass 90 Prozent der im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen Getöteten selber nicht bewaffnet waren und von ihnen auch keine unmittelbare Bedrohung ausging. Insbesondere für Menschen unter Medikamenteneinfluss, mit Herzkrankheiten oder Psychosen seien diese Elektroschocks sehr schädlich. Aber auch ohne Erkrankungen der Zielpersonen sei der Einsatz von Tasern verheerend: "Einige von denen, die starben, hatten keine Medikamente eingenommen oder litten unter Krankheiten, brachen aber nach wiederholten oder langen Einsätzen der Taser zusammen." Die Studie nennt Fälle, in denen Menschen wegen epileptischer Anfälle oder Lähmung durch einen ersten Elektroschock nicht auf Anweisungen von Polizisten reagierten. Darauf setzten diese dann, zum Teil wiederholt, Taser ein.

Amnesty betont, die bisherigen Kenntnisse reichten aus, um Taser als tödlich einzustufen. Ihr Gebrauch müsse strikt reguliert und kontrolliert werden. Insbesondere das Risiko des Missbrauchs sei hoch. Auf Knopfdruck könne mit den Waffen schwerer Schmerz zugefügt werden, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. "Jemandem, der sich nicht mehr bewegen kann oder bereits unter der Kontrolle eines Polizeibeamten steht, schweren Schmerz zuzufügen, verstößt gegen das internationale Folterverbot", so ein Fazit des Berichts.

In Deutschland ist der Einsatz von Tasern in Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Bremen bei Spezialeinheiten der Polizei, die zum Teil auch bei Demonstrationen eingesetzt werden, erlaubt. In Großbritannien wird der Einsatz derzeit auf normale Polizeieinheiten erweitert. In Frankreich dürfen seit September einfache Polizisten Taser haben.

Beim Einsatz von Tasern werden Elektroden abgefeuert, die über Drähte mit den Waffen verbunden bleiben und den Strom übertragen. FRAUKE BÖGER

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2 Kommentare

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  • MM
    Manfred Mustermann

    Sie wissen, welcher Gefahr Sie (die Taz) sich aussetzen, wenn Sie den Bericht von Amnesty zitieren, in dem von der Todesgefahr beim Einsatz von Taserwaffen berichtet wird. (Siehe Fall Besancenot - Frankreich) Ich hoffe, Sie haben gute Rechtsanwälte, denn Taser scheint vor nichts zurückzuschrecken, wenn es um den Verkauf der Elektrowaffe in möglichst viele Länder geht. Wenn in dem Zusammenhang unbequeme Tatsachen veröffentlicht werden, sieht Taser rot.

     

    Vielleicht aber traut sich Taser nicht mehr, deswegen zu klagen, da die Verläumdungsklage Taser gegen Besancenot vom französischen Gericht abgewiesen worden ist.

     

    Durch die Bespitzelungsaffaire Taser/Besancenot hat sich die Elektrowaffenfirma selbst diskreditiert. Der Boss von SMP Technologies, Antoine Di Zazzo, wurde nach einer Hausdurchsuchung der Räumlichkeiten der Firma, bei der Überweisungen von SMP an eine Privatdetektei gefunden worden sind, die Besancenot samt Frau und Kind über mehrere Monate bespitzelt hat, vorläufig festgenommen.

  • MW
    M. Welter

    Das einzig zulässige Einsatzgebiet solcher Waffen sollten die Fälle sein, in denen 'normalerweise' (wenn die Polizei solche Waffen nicht hätte) scharf geschossen würde. Wenn im Internet Videos kursieren, auf denen zu sehen ist, wie Menschen mit Hilfe von Elektroschockwaffen gefügig gemacht werden, wie in den USA eine Frau 'getasert' wird, weil sie bei einer Verkehrskontrolle nicht der Aufforderung des Polizisten nachkommt, aus dem Wagen zu steigen, oder wie im Rahmen einer Wahlveranstaltung ein protestierender Student von einem halben Dutzend Polizisten körperlich attackiert und dann noch zusätzlich getasert wird (obwohl es schon 5 oder 6 gegen einen geht), wenn diese Waffen gegen Alte/nicht zur Gegenwehr Fähige oder ganz offensichtlich körperlich Unterlegene eingesetzt werden, werden eindeutig Grenzen überschritten.