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Unberechenbarkeit im FußballDie Größe eines André Schürrle

Aufhören, wenn es am schönsten ist. Nicht so leicht im Sport, denn wann ist das schon? Manch überraschendes Karriereende zeigt Charakter.

André Schürrle nach seinem größten Erfolg auf dem Fußballplatz: der WM-Sieg 2014 Foto: ap/Augstein

A ndré Schürrle hat aufgehört. Einfach so, im Sommer schon. Zur Erklärung sagte er, es reiche ihm jetzt, er brauche keinen Applaus mehr. Und auch, dass die Tiefen immer tiefer würden, sagte er, und die Höhen immer weniger hoch.

André Schürrle hatte keine schwerwiegende Verletzung oder sonst einen physiologischen Grund, jetzt was anderes zu machen: Er wollte bloß, dass es ihm wieder besser geht. Er hatte seine Frau kennengelernt, war Vater geworden und dachte sich irgendwann: Fuck it. Ich mach was anderes. Das erstaunliche an dieser Erklärung ist, dass sie so selten ist unter Spitzensportlern.

Gerade auch, weil deren Karrieren immer länger dauern. Früher hieß es, die Hochzeiten eines Sportlers seien so Ende 20, danach geht es langsam abwärts. Aber Sportmedizin, Ernährungswissenschaften und all das haben die Belastungsdauer von Athletenkörpern deutlich verlängert. LeBron James ist jetzt 35 Jahre alt und hat die zweitbesten Finals seines Lebens gespielt.

Einer, der das möglich gemacht hat, ist sein persönlicher Trainer Mike Mancias. Der hat ihm einen umfassenden Lebensentwurf zusammengeschnitten: spezielle Aufwärmübungen, natürlich einen strikten Ernährungsplan, „quality sleep“ und Entspannungstechniken. Es gibt keine Stunde am Tag, an der LeBron James nicht in erster Linie Basketballer ist: ein kompletter Athlet, ja wahrscheinlich, aber vor allem: ein totaler.

Hans Dampf in allen Laufwegen

André Schürrle hatte immer etwas Unkonventionelles an sich, einen Eigensinn, der ihn an guten Tagen unberechenbar machte. Gerade in den ersten zwei Jahren in Mainz war sein Spiel ein außergewöhnliches Spektakel. Es war nicht sonderlich kunstvoll, aber außerordentlich dynamisch und zielstrebig; Hansdampf in allen Gassen. Die Energie und Überzeugung, mit der André Schürrle in die freien Räume hineinschoss, und auch die Selbstverständlichkeit, mit der er sich Schüsse aus 20 Metern nahm: Das alles war geprägt von einem beinah rührenden Selbstvertrauen.

Es gibt nicht sehr viele männliche Spieler, die aufhören, weil sie keine Lust mehr haben, weil sie der Fußball ausgesaugt hat.

Es gab etwas hollywoodeskes in seinem Spiel – in entscheidenden Momenten freudvoll über sich hinauswachsen und damit Erfolg haben. Das ist ein Spielertyp, den Jogi Löw offenbar mag. So überzeugend, wie André Schürrle diesen Part gespielt hat, konnte das nur David Odonkor. Der hat 2013 auch seine Karriere beendet, das Knie. Beiden – und auch Mario Götze – haftete später an, dass sie Protagonisten in großen Momenten gewesen waren und danach in einer Art nationaler Wahnvorstellung fortwährend überhöht wurden: Erwartungen, die sie schlussendlich nicht erfüllten. So rächt sich das Publikum für die Liebe, die es seinen Helden entgegenbringt.

Es gibt nicht sehr viele männliche Spieler, die aufhören, weil sie keine Lust mehr haben, weil sie der Fußball ausgesaugt hat. Es sind interessanterweise recht oft Franzosen, die auf dem sogenannten Höhepunkt ihrer Karriere abtreten. Etwa Éric Cantona, der nach einem verlorenen Halbfinale in der Champions League sagte: Nee, reicht jetzt. Sein Vertrag lief noch ein Jahr, und Alex Ferguson bekniete ihn, doch noch zu bleiben. Aber Éric Cantona hatte sich schon entschieden. „Ich kann nicht ewig das gleiche machen, ich langweile mich sehr schnell.“ Das klingt nachvollziehbarer als alles, was Mike Mancias je gesagt hat.

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3 Kommentare

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  • „... Protagonisten in großen Momenten gewesen waren und danach in einer Art nationaler Wahnvorstellung fortwährend überhöht wurden: Erwartungen, die sie schlussendlich nicht erfüllten. So rächt sich das Publikum für die Liebe, die es seinen Helden entgegenbringt.“



    Vor allem in Deutschland ist das in Bezug auf deutsche Sportler ausgeprägt an der Tagesordnung.



    Da wird selbst im Moment des Erfolges noch gern gemäkelt. Und sogar Reporter entschuldigen sich für jedes „deutsche Brillenglas“, während ausländische Kommentatoren die Emotionen nicht scheuen und ihre Sportler (auch langfristig) verehren.

  • Manche spielen Fußball auch einfach nur, weil es ihnen Spaß macht.



    Profis wie Pizarro oder Hasebe brachten bzw. bringen mit Mitte 30 noch Spitzenleistungen. Schürrle war mit Ende 20 nur noch ein Durchschnittsspieler, dem keiner mehr nachtrauert.



    Die vielen Vereinswechsel in seiner Karriere, einige sportlich unsinnig, aber finanziell sehr lukrativ, zeigen, wo bei Herrn Schürrle die Prioritäten lagen.



    Warum also solle mit so viel Geld auf dem Konto für kleines Geld - große Verträge wird er keine mehr kriegen - etwas machen, was ihm nicht wichtig ist.



    Aber man sollte dahinter keine philosophische Weisheit sehen.

    • @Don Geraldo:

      Pizarro ist sowieso der absolute „Ausnahme-Strahlemann“.



      Aber in Deutschland befand er sich als Peruaner auch nicht in der „Hackliste“ deutscher Zuschauer.