Umweltzone Ruhrgebiet: Vom Winde verweht
Um die Feinstaubbelastung zu reduzieren, richten immer mehr Städte Umweltzonen ein. Ab 1. Januar ist das Ruhrgebiet dabei. Der Effekt wird unterschiedlich bewertet.
BERLIN taz | Die Belastung der Atemluft mit gesundheitsschädlichem Feinstaub hängt von vielen Faktoren ab: Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Hausbrand - vor allem aber vom Wetter. So wurden Mitte November, als über Deutschland ein windschwaches Hochdruckgebiet herrschte, in vielen Regionen tagelang hohe Feinstaubwerte gemessen.
Einen Monat später, als atlantische Tiefausläufer kräftige Westwinde und Regen brachten, wurden in vielen Regionen tagelang sehr niedrige Werte gemessen, wie sich aus den vom Umweltbundesamt veröffentlichten Tagesmittelwerten ergibt. Mit anderen Worten: Regen spült den Staub aus, und frischer Wind pustet ihn weg.
Braucht man also gar nichts zu tun, um die Feinstaubkonzentrationen in der Luft zu verringern? Leider nein, denn selbst wenn Wind und Wetter die entscheidenden Faktoren sind, so wird es immer wieder trockene und windstille Witterungsperioden geben.Und wenn dann die Emissionen von Feinstaub an der Quelle verringert werden, so hat dies einen deutlichen Effekt.
Ein Beispiel: An kalten, windstillen Wintertagen stinkt es in ländlichen Gebieten merklich nach Qualm, weil viele Menschen Kamine oder andere Öfen heizen. Wird der Feinstaub aus diesen Kleinfeueranlagen herausgefiltert, wie es in modernen Kaminen geschieht, so sinkt insgesamt die Feinstaubbelastung. Dass das kein Pipifax ist, zeigt ein Vergleich: Die Kleinfeueranlagen in Deutschland stoßen nach Angaben des Umweltbundesamtes jährlich etwa so viel Feinstaub aus wie die Motoren sämtlicher Autos, Laster und Motorräder zusammen.
Der Flickenteppich wird zur Umweltzone Ruhrgebiet
Um die Emissionen von Feinstaub im Verkehrssektor zu senken, haben viele Kommunen in Deutschland Umweltzonen eingerichtet. In diese meist innerstädtischen Gebiete dürfen dann nur noch Fahrzeuge fahren, die vergleichsweise wenig Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide ausstoßen und dafür eine entsprechende Plakette erhalten. Zum 1. Januar 2012 kommen wieder einige Umweltzonen in Deutschland neu hinzu, und in vielen bereits bestehenden gelten dann strengere Regeln.
Die wichtigste neue Umweltzone ist das Ruhrgebiet. Ab 1. Juli 2014 dürfen dort nur noch Fahrzeuge fahren, die besonders wenig Schadstoffe emittieren. Zuvor gab es in einzelnen Städten des Ruhrgebiets eine Umweltzone. Jetzt wurde dieser Flickenteppich zusammengefasst und erstreckt sich nun von Duisburg im Westen bis Dortmund im Osten.
Neue Umweltzonen gibt es ab Januar auch im westfälischen Hagen sowie in Heidenheim und Urbach in Baden-Württemberg. Verschärft werden die Regeln ab Januar in den Umweltzonen in Mannheim, Pforzheim, Tübingen, Stuttgart, München und Frankfurt. Insgesamt gibt es in knapp 60 deutschen Städten Umweltzonen; es fehlen nach wie vor etliche, darunter auch größere Städte wie Hamburg, Dresden oder Potsdam.
Der Umweltminister Nordrhein-Westfalens (NRW), Johannes Remmel (Grüne), begrüßt die Einrichtung von Umweltzonen. Damit könne man die Fahrzeuge mit besonders hohen Emissionen aus stark belasteten Gebieten heraushalten. "Das bringt eine sofortige Entlastung für Anwohnerinnen und Anwohner." Zudem werde so ein Anreiz geschaffen, die Fahrzeugflotte insgesamt zu modernisieren und umweltfreundlicher zu machen.
Wunder darf man nicht erwarten
Erhöhte Konzentrationen von Feinstaub in der Außenluft führten zu einer Zunahme an Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so das NRW-Umweltministerium. In einer vom NRW-Landesumweltamt betreuten Feinstaub-Kohortenstudie sei nachgewiesen worden, dass Frauen, die im Umkreis von 50 Metern an einer verkehrsreichen Straße wohnen, ein zu etwa 70 Prozent erhöhtes Risiko haben, an einer Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung zu versterben als Frauen, die in Gebieten ohne starke Verkehrsbelastung wohnen. Die bisher eingerichteten Umweltzonen hätten bereits die Feinstaubbelastung in den Städten reduziert.
Allerdings darf man sich von den Umweltzonen keine Wunder erwarten. Sie allein bewirken doch eher nur eine überschaubare Reduktion der Feinstaubbelastung. Nach Angaben des Umweltbundesamtes lässt sich dadurch die jährliche Belastung um bis zu 10 Prozent verringern; die Zahl der Tage, an denen die Grenzwerte der Feinstaubemissionen überschritten werden, lässt sich demnach um ein Viertel reduzieren.
Der Grund dafür sind die vielfältigen Quellen des Feinstaubs. Die wichtigsten sind Verkehr, Landwirtschaft, Industrie und Heizungsanlagen. Zudem gibt es wichtige natürliche Feinstaubquellen: Sandstürme in der Sahara, Waldbrände, Vulkanausbrüche, die große Mengen Staub in die Atmosphäre bringen. Im Straßenverkehr entsteht Feinstaub nicht nur in den Verbrennungsmotoren - vor allem in Dieselfahrzeugen -, sondern er wird auch durch den Abrieb von Reifen und Bremsen erzeugt. Zudem wirbeln die Fahrzeuge während der Fahrt den auf der Straße liegenden Staub auf.
Feinstaub kennt keine Grenzen
Dabei spielt das Wetter eine wesentliche Rolle. Wenn es regnet, wird Staub ausgewaschen. Ist es windstill, verbleibt der Feinstaub in der Stadt und wird immer wieder neu aufgewirbelt. Andererseits können anhaltende Winde Staubmengen über große Strecken in die Städte tragen - auf diese Weise landet beispielsweise Feinstaub aus polnischen Kraftwerken in Berlin.
Verkehrsverbände bewerten die Einrichtung von Umweltzonen unterschiedlich. Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt diese Maßnahmen. "Umweltzonen führen dazu, dass der Atemluft Tonnen von Dieselruß erspart bleiben", sagt VCD-Luftexperte Heiko Balsmeyer. Dies komme der Gesundheit aller zugute.
Der Autofahrerclub ADAC hingegen hält von den Umweltzonen nicht viel. Pkws trügen nur zu einem geringen Teil zur Luftbelastung bei, so der ADAC. Fahrverbote für Pkws seien daher nicht verhältnismäßig, da sie einen großen Eingriff in die Mobilität der Menschen darstellten, aber nicht nennenswert zur Verbesserung der Luftqualität beitragen können.
Die größte Feinstaubbelastung des Jahres steht den Deutschen übrigens am Silvester- und Neujahrstag bevor - wenn kaum jemand ins Auto steigt. Sie wird verursacht durch millionenfach abgefeuerte Knaller, Raketen und Böller. Wer dann auf den Aufenthalt im Freien nicht verzichten möchte, sollte auf windiges und regnerisches Wetter hoffen. Die Prognosen stehen gut, bei Temperaturen bis zu 12 Grad soll es an Neujahr heftig regnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los