Umweltzerstörung in Suriname: Wenn die Trucks kommen
Holz- und Bergbauunternehmen aus Malaysia und China bedrohen mit extraktiven Methoden die Heimat der Saamaka Maroons in Suriname.

PARAMARIBO taz | In den unberührten Regenwäldern Surinames aufzuwachen, ist unvergesslich. Das Rauschen des Flusses und das Zwitschern der Vögel in den Bäumen sorgen für einen harmonischen Start in den Tag. Diese Wälder sind die Heimat der Saamaka Maroons, die nach ihrer Flucht aus der Sklaverei seit Jahrhunderten hier leben.
Doch Waldy Adjaiso ist zutiefst besorgt. Sein ganzes Leben hat er im Saamaka-Dorf Gunsi verbracht. Nun ist die Lebensweise des 63-Jährigen durch eine unbefestigte Straße bedroht, die malaysische Unternehmen gebaut haben, um auf dem traditionellen Land der Saamaka Holz zu schlagen. Die großen Trucks, die sie zum Abtransport der Bäume benutzen, würden die Wildtiere vertreiben. „Das bedeutet, dass wir auch tiefer in den Wald gehen müssen, um unsere tägliche Nahrung zu jagen“, sagt Adjaiso.

Der Text ist im Rahmen des Klimaworkshops Green Panter Amazonia der taz Panter Stiftung entstanden. Mehr Texte der Teilnehmenden aus 8 Ländern der Amazonas-Region auf taz.de.
Noch vor drei Jahren war das Gebiet nur mit Einbäumen erreichbar. Jetzt transportieren große Lastwagen Tag und Nacht die geschlagenen Bäume ab. Am Flussufer stehend zeigt Adjaiso auf eine Stelle zehn Kilometer hinter der grünen Wand aus dicht stehenden Bäumen des Regenwaldes. „Die Straße hat unser einst abgelegenes Gebiet für Außenstehende geöffnet“, sagt Adjaiso, während die Sonne auf seiner kahlen Kopfhaut reflektiert. „Doch übermäßige Jagd und Fischerei stören das Gleichgewicht, das wir seit Jahrhunderten aufrechterhalten haben.“
Korruption ist nach wie vor verbreitet
90 Prozent Surinames werden von Regenwald bedeckt. Damit ist das kleine Land das waldreichste Südamerikas und umfasst zwei Prozent der Fläche Amazoniens. Surinam ist tatsächlich CO₂-negativ, aber wirtschaftlich instabil. Die Inflation hat in den letzten fünf Jahren 60 Prozent überschritten. Korruption ist nach wie vor weit verbreitet, die Gesetze, welche diese verhindern sollen, sind veraltet. Surinames Wert auf dem Korruptionswahrnehmungsindex sank von Platz 44 im Jahr 2019 auf 40 im Jahr 2024.
Natürliche Ressourcen wie Gold und Holz befinden sich oft in Gebieten, die von indigenen Völkern und Maroons bewohnt werden, was zu Konflikten zwischen wirtschaftlichen Interessen und Landrechten führt. Dabei ist Surinam etwa halb so groß wie Deutschland, hat aber lediglich rund 650.000 Einwohner*innen, von denen die meisten in der Hauptstadt Paramaribo leben – rund vier Stunden im Auto und weitere zwei Stunden im Boot dauert es von Gunsi dorthin.
In den letzten fünf Jahren haben sich malaysische Unternehmen riesige Holzkonzessionen im Südosten Surinames gesichert. Mindestens fünf Firmen, die zur selben Unternehmensgruppe gehören, erwarben innerhalb eines Monats 75.500 Hektar Wald in angrenzenden Parzellen. Damit wurden Vorschriften umgangen, die eigentlich verbieten, mehr als 50.000 Hektar an ein einzelnes Unternehmen zu vergeben. Zwei der größten Unternehmen – Palmera Timber Processing (Palmeras Hout) und Western Paragon NV – haben denselben malaysischen Eigentümer.
Rechte der Saamaka wurden ignoriert
Stanley Betterson, von 2021 bis 2024 Leiter der Stiftung für Waldbewirtschaftung und -kontrolle (SBB) in Suriname, bestätigt, dass im Jahr 2020 mindestens 21 Konzessionen unrechtmäßig vergeben wurden. „Die Verfahren wurden nicht eingehalten und politischer Druck beeinflusste die Entscheidungen“, sagt er. Betterson, der derzeit Jura studiert, räumt ein, dass Korruption weiterhin ein ernstes Problem sei.
Adjaiso ist Mitglied der Vereinigung der Saamaka-Gemeinden (VSG). 2007 hat die Organisation das Land Suriname vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) gebracht. Das Gericht entschied, dass die Regierung die Landrechte der Saamaka anerkennen und die Gemeinden vor der Vergabe von Konzessionen konsultieren müsse. Die malaysischen Verträge und der Bau der 105 Kilometer langen und mindestens zehn Meter breiten unbefestigten Straße erfolgten jedoch ohne vorhergehende Konsultation.
Die Straße durchschneidet das Gebiet der Saamaka Maroons und erleichtert die illegale Jagd, darunter auch auf bedrohte Arten wie Jaguare. „Unser Land ist jetzt ungeschützt, und alles kann passieren“, heißt es in einer Mitteilung der VSG. Die Vereinigung hat inzwischen Greenpeace Niederlande um Unterstützung gebeten, um mehr internationale Aufmerksamkeit für ihren Kampf zu erhalten.
Laut Global Forest Watch wurden bereits Holzschlagkonzessionen für 447.000 Hektar Land der Saamaka vergeben – bei 1,4 Millionen Hektar Gesamtfläche also rund ein Drittel ihres Gebiets. Schockierenderweise sind mehr als drei Viertel der dadurch verursachten Waldverluste sogar erst nach dem Gerichtsurteil von 2007 entstanden.
Gesundheitsgefährdende Chemikalien aus China
Während das Interesse Malaysias an den Wäldern Surinames noch recht jung ist, reicht das Chinas an Surinames Gold bis ins 19. Jahrhundert zurück. Dabei wird im Kleinbergbau häufig hochgiftiges Quecksilber verwendet. Chinesische Firmen haben inzwischen modernere Techniken eingeführt, aber auch diese sind teilweise gesundheitsgefährdend. Jin Chan etwa, ein in der Provinz Guangxi hergestellter „Gold Dressing Agent“ (GDA), also ein Anreicherungsmittel, das verwendet wird, um Gold chemisch aus Erzen zu extrahieren.
Jin Chan wurde erstmals 2017 in Suriname entdeckt und steht im Zusammenhang mit cyanidbasierten Extraktionsmethoden. In den Jahren 2023 und 2024 traten bei zwei Vorfällen Chemikalien aus, als Boote und Lastwagen Jin Chan und Calciumoxid zu von Chinesen betriebenen Goldminen transportierten. Einheimische berichteten in der Folge von toten Fischen und verschmutztem Flusswasser. Die 2024 gegründete Nationale Umweltbehörde (NMA) Surinames erklärte, dass GDA einen von 4 auf 12 erhöhten pH-Werts erfordere. „Fische, die an einen pH-Wert von 4 angepasst sind, können unter solchen Bedingungen nicht überleben“, verlautbarte die Behörde.

Kürzlich deckte die NMA auf, dass auch im Brokopondo-Stausee mit Jin Chan Goldabbau im größeren Stile betrieben wird – auf einem Gebiet, das als Trinkwasserquelle und Wasserkraftwerk dient. Die Mine erstreckt sich über mindestens einen Kilometer und hat möglicherweise zur Verunreinigung des Wassers geführt. Deshalb haben die Behörden eine Warnung ausgesprochen und den Gemeinden empfohlen, das Wasser so lange nicht zu trinken, bis die Umweltstandards erfüllt sind.
Konzessionen für ein Drittel des Saamaka-Landes vergeben
Die NMA erstellt gerade Richtlinien für die Verwendung der GDA. Unterdessen arbeitet die Stiftung für Waldbewirtschaftung und -kontrolle (SBB) daran, eine unabhängige Regulierungsbehörde zu werden, um Korruption zu verringern und den Wald besser zu schützen. „Es mag Zeit brauchen, aber wir müssen die notwendigen Regeln schaffen, um unsere Umwelt zu schützen“, heißt es aus der SBB.
Adjaiso fühlt sich weiter hilflos. „Wir können nichts tun, und Suriname hört nicht auf internationale Gerichte“, sagt er. Er denkt, dass es bei Protesten der Saamaka Maroons zu Gewaltausbrüchen kommen könnte – und befürchtet Schlimmes: „Sie werden uns erschießen.“
Euritha Tan A Way ist eine Journalistin aus Suriname und arbeitet für die Tageszeitung De Ware Tijd.
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