Umweltverband BUND sucht den Superchef: Kandidaten wollen weniger kuscheln
Die Umweltbewegung ist in der Sinnkrise. Wenn der BUND nun einen neuen Chef wählt, entscheidet sich, wie der Öko-Protest weiter geht - klassisch engagiert? repräsentativ talkend? spektakulär politisch?
BERLIN taz In der kommenden Woche entscheidet sich, wie es in Deutschland mit dem Umweltprotest weiter geht. Denn der Ökoverband BUND wählt am 1. Dezember einen neuen Vorsitzenden. Angelika Zahrnt hört auf, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Wer ihr Nachfolger werden will, muss eine Innovationsdebatte führen.
Denn derzeit machen die Ökos einen schlappen Eindruck. "Umweltverbände leben vom Konflikt", sagt Karsten Klenner. Er beobachtet seit Jahren für das Umweltbundesamt die Verbände - und sagt: "Derzeit erscheinen sie vor allem als Sachverwalter ihres Daseins - unspektakulär."
Einst hat den BUND der Protest gegen AKWs in Brokdorf und Whyl groß gemacht. Der Generalbevollmächtige der RWE befand, der Atomstreit werde "zum Kampf zwischen denen, die diesen Staat tragen, und seinen Gegnern." Heute fällt es den "Gegnern" nicht mehr leicht die Bösen auszumachen, gegen die sie sich profilieren.
Großkonzerne wie Lufthansa, Daimler oder Bayer geben sich einen grünen Anstrich. Boulevardzeitungen warnen: "In 50 Jahren sind die Ozeane tot". Und die Bundesregierung erklärt den Klimaschutz zum Tagesgeschäft. Um den BUND, mit 400.000 Unterstützern einer der größten Umweltverbände Deutschlands, ist es derweil still geworden.
Die Drei, die jetzt um den BUND-Vorsitz ringen, wollen das ändern. Sie versprechen alle weniger zu kuscheln und mehr anzugreifen - auf ihre Art. Wer für welche Strategie steht?
Kandidat 1: Hubert Weiger, 60. Der Professor für Naturschutz aus dem bayerischen Kaufbeuren plädiert für klassisches, bodenständiges Umwelt-Engagement. Er will mehr vom Alten - "keinen Richtungswechsel", sagt er. Der diplomierte Forstwirt kämpf seit Jahren für die Freiheit von Hühnern, für gesunde Wälder und für Essen ohne Gentechnik. Die Basis müsse gestärkt werden, wenn sie etwa gegen den Ausbaus eines Flughafens protestiere - damit "wir wieder zentraler Teil der außerparlamentarischen Opposition werden." Weiger leitet derzeit den bayerischen Landesverband des BUND. Er gilt als unbequem und beharrlich: Vor neun Jahren ist er schon mal angetreten - damals verlor er nur knapp gegen die Noch-Vorsitzende Zahrnt. Seine Chancen sind aber nicht schlecht: Die Hälfte der BUND-Unterstützer kommt aus Bayern.
Kandidatin 2: Brigitte Dahlbender, 52, ist Süddeutschen ebenfalls gut bekannt: Sie leitet seit zehn Jahren den Landesverband in Baden-Württemberg. Kritiker werfen ihr vor, sie sei nicht sachkundig. Davon will Dahlbender nichts wissen. Sie ist Geographin und Biologin - und meint: "Ich werde den BUND stärker profilieren". Dahlbender setzt auf repräsentatives Diskutieren. "Der BUND muss in die Talkshows", sagt sie.
Wenn man sie fragt, wo sie steht, erbittet sie allerdings erstmal eine halbe Stunde Bedenkzeit. "Klimaschutz, Biodiversität, Nachhaltigkeit" sagt sie dann. Sie wolle eine neue "Lebensstildebatte führen". Umweltschützer müßten wieder "Visionäre und Vordenker" sein. Formulierungen, die mitreißen, hören sich anders an.
Kandidat 3: Martin Rocholl, 47, ist ein Newcomer im BUND-Management - und der Mann für umgangssprachliches Reden. "Wir werden Politikern nachweisen, wenn sie nur labern und nichts tun." Dazu will er spektakuläre Kampagnen initiieren. Die Ökostreiter sollen sich zum Beispiel auf ein einziges der vielen geplanten klimabelastenden Kohlekraftwerke als Symbol konzentrieren. Er erklärt: "So schaffen wir ein zweites Whyl". Rocholl will den BUND verjüngen, er sagt: "für Leute zwischen 25 und 40 Jahren attraktiv machen." Der Biologe gilt als strategischer Kopf. Schon für seine BUND-Kandidatur hat er ein 13-seitiges Diskussionspapier geschrieben. Er hält viel von der globalisierten Vernetzung der Grün-Beseelten. Rocholl hat von 1998 bis 2005 in Brüssel das Büro von Friends of the Earth geleitet, einem Zusammenschluss von gut 30 Umweltverbänden. Noch heute ist er Vorsitzender. Und das Gros der Umweltpolitik wird tatsächlich von der EU bestimmt.
Die Wahl entscheiden gut 130 Delegierte der BUND-Landesverbände. Noch nie zuvor konnten sie zwischen drei so klar positionierten Vorsitzenden aussuchen.
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