Umweltsenatorin Lompscher (Linke): "Wir werden mehr als ein Windrad haben"
Ein Jahr vor der Wahl in Berlin ist Umweltsenatorin Kartin Lompscher zufrieden: Das Klimaschutzgesetz soll noch 2010 ins Parlament, die Windenergie werde ausgebaut, der Nichtraucherschutz sei umfassend wie nie.
taz: Frau Lompscher, warum spielt Umweltschutz im Senat eigentlich so eine nachgeordnete Rolle?
Katrin Lompscher: Sehen Sie das wirklich so? Ich nicht. Dadurch, dass die Umwelt seit der letzten Wahl ein eigenes Ressort ist, haben wir doch mehr Aufmerksamkeit für den Umweltschutz erzeugt. Umweltziele werden jetzt nicht nur intern innerhalb eines Hauses abgewogen, sondern auch stärker innerhalb des Senats diskutiert. Und die Themen, die wir gesetzt haben - etwa Luftreinhaltung, Lärmminderung, Klimaschutz - sind in der Stadtpolitik sehr relevant.
Katrin Lompscher, 48, ist seit 2006 Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Sie hat in den 80er Jahren an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar studiert und ihren Abschluss als Diplomingenieurin im Städtebau gemacht. Vor ihrer Tätigkeit als Senatorin war die Politikerin der Linkspartei unter anderem Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung in Lichtenberg.
Die Sommerpause: Parallel zu den Schulferien macht auch das Abgeordnetenhaus Sommerpause. Es ist die vorerst letzte Ruhephase. Der nächste Sommer wird vom Wahlkampf geprägt sein: Im September 2011 wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Die taz nutzt die Pause, um in einer Interviewreihe auf die Wahl und die Themen zu blicken, die die Berliner bewegen. Am 15.7. eröffnete den Reigen der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann.
Die Linke: In den jüngsten Umfragen der Meinungsforscher liegen die Linken um die 17 Prozent - nach der CDU mit 19 bis 21 Prozent, den Grünen mit 22 bis 25 Prozent und der SPD mit 25 bis 27 Prozent. Die FDP kommt zur Zeit auf drei bis fünf Prozent. (taz)
Was nützt es, wenn Umweltschutz sichtbarer ist, er sich aber am Ende nicht durchsetzt? Beispiel Klimaschutzgesetz: Sie hatten einen vorbildlichen Entwurf vorgelegt, der nun in der Diskussion immer weiter zerbröselt. Warum konnten Sie Ihr Gesetz in der Koalition nicht besser vermitteln?
Warten Sie doch mal ab, was am Ende herauskommt. Mich hat allerdings schon erstaunt, dass es über den Referentenentwurf in einer frühen Phase so eine große Aufregung gab - schließlich war er noch nicht mit den anderen Ressorts abgestimmt. Das hatte wohl auch mit dem Bundestagswahlkampf zu tun. Aber wir haben uns mit den Stellungnahmen der Verbände ernsthaft beschäftigt, und zwar auf seriöse Weise. Das heißt: sorgfältig prüfen und abwägen.
Es bleibt trotzdem eine Auseinandersetzung: Sie wollen die Besitzer bereits stehender Häuser zu Investitionen in den Klimaschutz verpflichten, zum Beispiel zur besseren Dämmung. In der SPD lehnen einige jedwede Pflicht ab, weil sie Mietsteigerungen befürchten.
Aber entscheidend ist ja, was sich schließlich in der Koalition durchsetzt. Es bestreitet niemand, dass Klimaschutz einerseits Geld kostet, dass er andererseits sozial ausgewogen sein muss und auch die Hauseigentümer nicht überfordern darf. Wir haben natürlich auch Beispielrechnungen vorgelegt, die zeigen, dass die Kosten nicht so hoch sind, wie von manchen befürchtet. Dabei muss man natürlich auch noch berücksichtigen, dass durch die Investitionen Energie gespart wird - und das bei vermutlich steigenden Energiepreisen.
Sie haben also noch Hoffnung auf ein gutes Gesetz?
Wir haben nicht nur die Hoffnung, sondern arbeiten auch darauf hin. Der Gesetzentwurf soll noch in diesem Jahr ins Abgeordnetenhaus.
Das nächste Beispiel, wo die Umwelt zu kurz kommt, ist der Einkauf der öffentlichen Hand - das sind immerhin vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr. Die Umweltvorgaben, die das Abgeordnetenhaus im Jahr 2008 beschlossen hatte, wurden vom Senat zunächst weitgehend ignoriert.
Beschlüsse des Abgeordnetenhauses sind zunächst politische Botschaften. Um solche Vorhaben durchzusetzen, braucht man also eine Gesetzesänderung, auf deren Grundlage dann Verwaltungsvorschriften erarbeitet werden. Diesen Weg gehen wir jetzt mit dem Vergabegesetz, dass vom Parlament Anfang Juli beschlossen worden ist.
Das kann doch nicht sein, dass die Verwaltung nur dann reagiert, wenn sie muss. Warum brauchen viele Senatsverwaltungen erst ein Gesetz?
Das ist schlicht die Logik der öffentlichen Verwaltung. Sie handelt auf Rechtsgrundlage und auf sicheren Handlungsanweisungen. Das verhindert auch Willkür. Es gibt außerdem hunderte verschiedene Behörden und andere öffentliche Einrichtungen, die alle getrennt voneinander einkaufen. Es wäre ja auch nicht besonders sinnvoll, wenn jede davon sich ihre eigenen Handlungsanweisungen erstellt.
Immerhin bezieht die öffentliche Verwaltung bereits Ökostrom. Wie wird die Energieversorgung Berlins im Jahr 2050 aussehen?
Natürlich zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Der Energiebedarf des Gebäudebestands wird so weit reduziert sein, dass man sogar Fernwärmekraftwerke abschalten kann, bevor ihre Lebensdauer abgelaufen ist. Wir werden nicht nur wie jetzt ein Windrad in der Stadt haben - es wird neue Technologien für städtische Windkraftnutzung geben, die man auch auf den Dächern sehen wird. Und wir werden endlich einen vernünftigen Einsatz von Geothermie haben.
Warum hat der Senat dann noch nicht sein Ziel für den Kohlendioxidausstoß im Jahr 2050 veröffentlicht?
In dem Energiekonzept, an dem wir arbeiten, wird als Ziel 85 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 stehen.
Warum soll der CO2-Ausstoß nicht auf null sinken?
Weil das leider nicht geht. Wir haben ja auch noch den Verkehr. Und da reicht auch meine Fantasie nicht aus, wie man den bis dahin vollständig mit erneuerbaren Energien antreiben soll.
Luftverschmutzung ist auch in einem anderen Fall umstritten: beim Rauchen. In Bayern haben bei einem Volksentscheid 61 Prozent für ein völliges Rauchverbot in Kneipen gestimmt. Ein Vorbild für Berlin?
Die Wahlbeteiligung war nicht so hoch, dass man erkennen könnte, ob das auch eine Mehrheit der Wahlberechtigten so sieht. Als Gesundheitssenatorin hätte ich ein Interesse an einem weitgehenden Rauchverbot, aber das war in Berlin nicht möglich.
Warum nicht?
Die öffentliche Debatte lief in eine andere Richtung. Die Gefährlichkeit des Passivrauchens war unstrittig, aber die möglichen nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen des Rauchverbots auf die Gastronomie wurden immer wieder angeführt - bis hin zur Befürchtung, dass wir Existenzen vernichten. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion haben wir jetzt eine gute Balance hinbekommen. Wir haben immerhin so viel Nichtraucherschutz, wie es ihn vorher noch nie gab. Von den über 7.000 Gaststätten sind weniger als 10 Prozent Raucherkneipen.
Wenn die Politik nicht mehr Rauchverbote durchsetzen kann, sind die Bürger gefragt?
Ich sehe solche Initiativen mit großem Interesse. Direkte Demokratie ist ja immer ein Beitrag zur Fortentwicklung einer Diskussion. Gut ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Anliegen dann zu ihrer eigenen Angelegenheit machen. Die Folge: Das Ergebnis hat auch mehr Gewicht.
Schwierig scheint es auch, einen besseren Schutz der Verbraucher vor Ekelessen im Restaurants gegen die Interessen der Gastronomie durchzusetzen. Seit Anfang 2009 gibt es ein Modellprojekt im Pankow, bei dem Lebensmittelbetriebe wie Restaurants, die sich nicht an Hygienestandards halten, auf einer Liste veröffentlicht werden. Warum ist es noch nicht in ganz Berlin so weit?
Zunächst mal ist es umstritten, ob das Verbraucherinformationsgesetz als rechtliche Grundlage für solche Kennzeichnungen ausreichend ist. Eine Klarstellung auf Bundesebene wäre hier hilfreich.
Haben Sie Angst vor Klagen?
Es gab auch in Pankow rechtliche Bedenken, die allerdings nie bis zum Gericht gekommen sind. Aber man kann nicht ausschließen, dass sich das ändert.
Wie lange dauert es noch, bis auch die anderen Bezirke die Ergebnisse der Hygieneprüfungen veröffentlichen?
Wir rechnen damit für Anfang nächsten Jahres. Derzeit geht es noch darum, sich zwischen den Bezirken über die Regularien zu einigen. Wenn man landesweit einheitlich vorgeht, sollten auch die Lebensmittelkontrolleure nach den gleichen Maßstäben prüfen.
Wo werden die Verbraucher dann über die Kontrollergebnisse informiert?
Die Ergebnisse sollen sowohl im Internet als auch vor Ort in den Einrichtungen bekannt gemacht werden. Auch die Ergebnisse der früheren Kontrollen werden veröffentlicht.
In Pankow hat die Lebensmittelaufsicht wenig Personal. Die Wirte beschweren sich daher, dass eine Nachkontrolle manchmal auf sich warten lässt, auch wenn der Mangel schon behoben wurde.
Bei knappen Ressourcen ist immer umstritten, wo diese eingesetzt werden. In Pankow ist es durch das Projekt gelungen, den Haushalt des Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamts besser auszustatten. Da hat der Bezirk Prioritäten gesetzt. Grundsätzlich geht von der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse eine präventive Wirkung aus, weil die Betreiber mehr auf die Hygiene achten.
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