Umweltschützer über Elfenbeinmafia: „Egal ob Kokain oder Elfenbein“
Alain Ononino von der Umweltorganisation WWF kämpft in Zentralafrika mit ungewöhnlichen Methoden gegen Elefanten-Wilderer. Und das mit Erfolg.
taz: Herr Ononino, fürchten Sie um ihr Leben?
Alain Ononino: Wilderer sind in mafiaähnlichen Banden organisiert und machen ein Mordsgeschäft. Zusammen mit anderen Umweltverbrechen, etwa dem illegalen Holzeinschlag, ist das in etwa so groß wie der Drogen-, Falschgeld- oder Menschenhandel. Da stören wir. Das ist gefährlich. Und ich habe eine Familie, drei Kinder. Aber wir gehen sehr vorsichtig vor.
Sie arbeiten undercover – und damit einzigartig?
Wir bahnen zum Schein mit den illegalen Jägern ein Geschäft mit Elfenbein an. Dann schleichen wir uns bei ihnen ein und filmen das. Das machen wir mit versteckter Kamera. Das hat es vorher so noch nicht gegeben.
Sie haben beim Geheimdienst gelernt?
Ich bin Jurist. Und ich will das gewaltige Artensterben stoppen. Wenige Leute machen jedes Jahr bis zu 23 Milliarden US-Dollar Umsatz mit dem illegalen Handel von Wildtieren und -pflanzen. Die Leute vor Ort gehen leer aus. Das ist nicht fair. Als ich dann irgendwann mal ein Training bei Interpol hatte, kam ich auf die Idee mit den versteckten Kameras. Die Geräte bekommen wir zwar nicht in Kamerun, aber die sind in den USA oder Europa schon für weniger als 300 Euro zu haben. Dazu kann ich aber nicht mehr sagen.
35, arbeitet in Kamerun für den WWF und leitet das Programm zur Bekämpfung der Wildtierkriminalität in Zentralafrika. Seine Kollegen und er kämpfen mit neuen Methoden gegen Wilderer. Die Ergebnisse zeigt er in Deutschland.
Was wissen Sie über die Jäger der Elefanten?
Es gibt nicht den einen Jäger, sondern ein großes kriminelles Netzwerk. Mittelsmänner in den urbanen Zentren heuern im Busch Leute an, statten sie mit Stiefeln und Waffen aus. Die gehen dann los, schießen die Elefanten, verstecken die Stoßzähne erst einmal in einfachen Hütten, sodass sie kaum entdeckt werden können.
In einer der Filmsequenzen, die Sie derzeit in Deutschland zeigen, gräbt einer der Jäger den Stoßzahn aus dem Boden aus.
Das war der Start unserer verdeckten Recherchen. Von da an hat mein Kollege dann den Weg des Elfenbeins verfolgt. Ein Jäger vor Ort bekommt für ein Kilo Elfenbein schon mal bis zu 270 Euro. Die Preise schwanken sehr stark. Ein Stoßzahn wiegt im Schnitt, grob gesagt, jedenfalls 5,5 Kilo. Die werden dann heimlich an den Ort geschafft, wo der Mittelsmann sitzt. Der leitet sie weiter an die Kings und bekommt in etwa den doppelten Preis.
Wer sind die Kings?
Sie sind die Bosse der Banden; denen ist es oft egal, ob sie mit Kokain oder Elfenbein handeln. Das sind nicht nur Afrikaner. Mittlerweile kommen viele Geschäftsleute aus Asien nach Afrika. Und damit eben auch Kriminelle. Ihre Zentralen haben sie in der Nähe von Flug- oder Seehäfen, etwa in Yaounde oder Douala. Oft lassen sie das Elfenbein in Werkstätten, die sie immer wieder verlegen, verarbeiten sie zu Armreifen und Figuren, damit es ins Handgepäck passt. Anderes wird aber auch in Containern mit doppeltem Boden verschifft, meist nach Asien. Aus China kennen wir Fälle, in denen für ein Kilo einfach verarbeitetes Elfenbein ohne aufwendige Schnitzereien 2.000 Euro gezahlt wurden.
Wie finden Sie die illegalen Händler?
Wir haben ein Netzwerk von Informanten. Wir sprechen sie in Bars, Restaurants oder an Tankstellen an. Nicht gleich am ersten Tag, wir beobachten erst einmal. Ein Informant darf kein Trinker sein, sonst ist die Gefahr zu groß, dass er alles ausplappert. Geld bekommen die Informanten, wenn sie uns Hinweise liefern. Wir schicken dann unsere Rechercheure los, mit denen wir einen Vertrag haben. Sie bekommen zu ihrem festen Lohn – in etwa ein Drittel dessen, was ein normaler Arbeiter in Kamerun bekommt – einen Bonus, wenn sie uns Filmmaterial schicken und einen Fall aufdecken.
Haben Ihre Filme Bestand vor Gerichten?
Allerdings, der Händler, der durch unsere Recherchen aufgeflogen ist, hat der Polizei noch in seiner Werkstatt 80 Euro, später sogar 1.000 Euro geboten, damit sie ihn gehen lässt. Er kam aber für zwei Jahre ins Gefängnis, drei Jahre sind die Höchststrafe. Seit wir mit der versteckten Kamera arbeiten, gibt es pro Monat etwa eine Festnahme. Vor zehn Jahren gab es fast keine.
Eigentlich sollte Interpol Ihren Job machen?
Stimmt, aber egal, wie effektiv Interpol sind, sie ist nicht im Busch. Sie braucht Leute, die sie mit Informationen versorgen. Darum sind wir übrigens auch Teil der Interpol Wildlife-Crime Working Group.
Warum ist der Schutz von Elefanten so wichtig?
Der Handel mit Elfenbein ist im Grunde schon seit 1989 verboten. Trotzdem ist die Zahl der Elefanten in Zentralafrika allein in den letzten zehn Jahren um 60 Prozent zurückgegangen. Elefanten gelten als die Hüter des Waldes. Damit die Samen mancher Bäume keimen, muss sie zum Beispiel erst einmal ein Elefant in sich hineingestopft haben. Sie müssen seinen Magen und Darm passiert haben. Verschwinden die Elefanten, sterben die Bäume. Außerdem zieht der Elefant Touristen an; das ist eine gute Einnahmequelle für die Menschen vor Ort.
Glauben Sie wie mancher anderer, dass die Elefantenjagd in Wildparks erlaubt werden sollte, weil Jagdsafaris Geld bringen und Einheimische dann versuchen die Tiere zu schützen?
Dafür ist es zu spät; zu viele Tiere sind schon gestorben. Legales Jagen hat nur Sinn, wenn die Population insgesamt noch gesund ist. Wir brauchen mehr Ranger. Und für die Ranger brauchen wir mehr Geld.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands