Umweltprobleme: Giftschlamm in der Grube
In Schleswig-Holstein sind zum Teil giftige Rückstände aus der Erdölförderung gesammelt worden – manche davon liegen in Wasserschutzgebieten.
HAMBURG taz | In Schleswig-Holstein ist an 100 Orten Öl- und Bohrschlamm aus der Erdölförderung abgelagert worden. Wie die rot-grüne Landesregierung auf Anfrage der Piratenpartei mitteilte, gehören sie zu insgesamt 1.800 Orten, an denen möglicherweise gefährliches Material aus Industrie und Gewerbe vergraben wurde. „Ob die Ablagerungen das Wasser, die Umwelt oder die Gesundheit gefährden, ist bis heute nicht geprüft“, kritisiert der Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer.
Bohrschlamm ist die Pampe, die beim Bohren nach Erdöl als Nebenprodukt an die Erdoberfläche gepumpt wird. Sie kann Kühlwasser und dessen Zusätze enthalten, Lagerstättenwasser, ausgebohrtes Material und Erdölreste. Darin könnten auch giftige Stoffe wie Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Schwermetalle enthalten sein. Weil lange Zeit ein entspannter bis fahrlässiger Umgang mit der Umwelt üblich war, wurde all der Schlamm häufig einfach in Gruben in der Nähe der Bohrstelle gekippt.
Akut wurde das Thema im März dieses Jahres: Sieben Umweltverbände und -initiativen schickten einen offenen Brief unter anderem an die Wirtschaftsminister der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Darin wiesen sie darauf hin, dass es offiziellen Schätzungen zufolge allein in Niedersachsen 500 solcher Schlammgruben gebe, dazu nochmals an die 350 in Mecklenburg-Vorpommern.
„Angesichts der drohenden Gefahren durch Bohrschlammgruben ist eine schnelle und sichere Sanierung nach den höchsten Schutzstandards erforderlich“, schrieben die Verbände damals. Deshalb sollten die Länder die genauen Standorte veröffentlichen. Zudem sollten sie sich für ein Verbot des umstrittenen Frackings einsetzen – denn bei dieser Methode zur Öl- und Gasförderung falle weiterer Bohrschlamm an.
Drei Bohrschlammgruben gibt es nach Auskunft des Hamburger Senats in Reitbrook im Bezirk Bergedorf. Eine davon war von 1937 bis 2015 in Betrieb.
Anwohnern zufolge wurde – nach Angaben der Linksfraktion – auch bei einer seit 1962 laufenden Bohrung am Sinstorfer Weg Schlamm deponiert.
Einen Antrag der Linken, weitere Bohrschlammgruben auf dem Gebiet des Stadtstaates zu suchen, lehnte die rot-grüne Koalition im Mai ab.
Beim Kieler Umweltminister Robert Habeck (Grüne) rennen die Fracking-Gegner offene Türen ein. Er bezeichnete die Gruben als Teil des belastenden Erbes einer mehr als 100-jährigen Gewerbe- und Industriegeschichte: „Es ist eine Mammutaufgabe, solche Altlasten abzuarbeiten“, so Habeck. Sein Ministerium habe vor zwei Jahren damit begonnen, die Bohrschlammgruben gesondert zu erfassen. In Kürze werde er dazu ein Gutachten in Auftrag geben.
Dabei geht es darum, mit Hilfe von Unterlagen der Ölindustrie und Zeitzeugen herauszufinden, wo Bohrschlamm entsorgt wurde. Es wird geprüft, was dort abgelagert wurde und ob die Grube möglicherweise schon saniert wurde. In manchen Fällen sei möglicherweise nur ein Ton-Wasser-Gemisch in die Grube gepumpt worden. Bisweilen hätten die Bauern das Bohrgut sogar zur Bodenverbesserung auf die Felder gekippt, teilte das Ministerium mit. In anderen Fällen seien darin aber Erdölrückstände enthalten, die die Umwelt gefährdeten.
Sind Standorte erst als problematisch erkannt, werden sie nach Auskunft des Ministeriums von den Kommunen nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren en détail untersucht und saniert – so wie andere Industriegrundstücke auch. „Wir haben eine Reihe von anderen Altlasten, beispielsweise aus chemischen Reinigungen, die mit Gewissheit sehr problematisch sind“, sagte Habecks Sprecherin Nicola Kabel der taz.
Vier der nun erfassten Bohrschlammgruben liegen in Wasserschutzgebieten. Dort seien die Auswirkungen der Gruben überprüft worden, sagte Kabel, mit dem Ergebnis: keine Gefahr. Neun weitere Verdachtsflächen in Trinkwassereinzugsgebieten seien dagegen noch nicht untersucht worden.
Während die Erdschichten über dem Grundwasser in Wasserschutzgebieten durchlässig sind, sodass Schadstoffe leicht durchsickern können, sind die Erdschichten über Trinkwassereinzugsgebieten dicht – die Gefahr einer Vergiftung ist also geringer. Sollte das Gutachten dort gefährliche Schlammgruben aufspüren, würden diese jedoch vorrangig saniert.
Auf jeden Fall werde das Wasser, das beim Verbraucher ankomme, ständig kontrolliert: „Trinkwasser“, versicherte Habeck, „ist nicht gefährdet.“
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