Umweltklagen ausgehebelt: Turbogesetz für Fehmarn
Das neue Planungsgesetz des Bundes gilt für die Fehmarnbelt-Querung und eine neue Sundbrücke, so ein Bundestag-Gutachten. Das könnte Anwohner ausbremsen.
Der hat auf seine Bitte hin untersucht, ob das Anfang des Monats vom Bundestag und am 23. November vom Bundesrat beschlossene Planungsbeschleunigungsgesetz (PBG) die Widerspruchs- und Klagerechte von Anwohnern und Betroffenen der Fehmarnbelt-Querung schmälert. Das Fazit des Gutachtens: ja.
Mit dem Gesetz sollen große Infrastrukturvorhaben beschleunigt werden. Dafür enthält es die Möglichkeit, schon vor einem formalen Planfeststellungsbeschluss mit vorbereitenden Maßnahmen beginnen zu dürfen. Zudem soll bei Projekten, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss – und das sind praktisch alle –, auf eine öffentliche Erörterung der Einwendungen verzichtet werden.
Die Frist für Betroffene, ihre Einwände schriftlich zu formulieren, soll außerdem verkürzt werden. Bei der Komplexität großer Vorhaben könnte das dazu führen, dass hastig formulierte Widersprüche einfacher als nicht stichhaltig abgewiesen werden können.
Rot-Grün hatte den Fehmarnbelt in den Anhang verhandelt
Die feste Fehmarnbelt-Querung besteht aus drei Teilen: einem Straßen- und Schienentunnel zwischen den Inseln Lolland und Fehmarn sowie dem Ausbau der Anschlüsse in Dänemark und in Schleswig-Holstein zwischen Fehmarn und Lübeck.
Für den Tunnel sollen 89 an Land vorgefertigte Elemente in einem Meeresgraben versenkt werden. Er wird knapp 18 Kilometer lang, 60 Meter breit und 16 Meter tief.
Die Kostenschätzung allein für den Tunnel ist von 5,5 Milliarden Euro vor einigen Jahren auf aktuell 7,4 Milliarden Euro gestiegen. Die Hinterlandanbindung in Dänemark dürfte etwa 1,2 Milliarden Euro kosten, die auf deutscher Seite bis zu drei Milliarden Euro.
Macht alles zusammen rund 11,5 Milliarden Euro.
Die Kosten für den Tunnel trägt Dänemark. Mautgebühren in Höhe heute üblicher Fährtarife sollen das Projekt refinanzieren.
Den Schienen- und Straßenausbau auf dem Festland trägt jedes Land für sich.
Explizit in dem Gesetz genannt wurde wegen ihres „internationalen Bezuges“ die geplante Fehmarnbelt-Querung samt einer neuen Brücke über den Fehmarnsund. Dieser Passus, den die Kieler Jamaika-Koalition auf Druck der mitregierenden FDP im Gesetzestext festgeschrieben sehen wollte, war aber in letzter Minute von roten und grünen Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein wieder herausverhandelt worden, der Dänentunnel in der Ostsee wird nur noch im Anhang erwähnt. Das sei ein Erfolg, verkündete die Ostholsteiner SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn: „Der Anhang des Gesetzes ist juristisch nicht mit dem Gesetzestext selbst gleichzusetzen.“
Ist er doch, sagt nun das Bundestagsgutachten, das der taz nord vorliegt. Ob Gesetz oder Gesetzesanhang, habe „für die rechtliche Einordnung“ und „die Frage nach der verwaltungsprozessualen Bedeutung keine Relevanz“. Somit führe das PBG ein „Hauruck-Verfahren ein“, kritisiert die schleswig-holsteinische Abgeordnete Cornelia Möhring, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. Sie hält das Fehmarnbelt-Projekt weiterhin für „ökologisch, tourismuspolitisch und sozial völlig überdimensioniert und unsinnig“.
Beutin geht zudem Hagedorn frontal an: „Wer auch immer behauptet, im Bundestag etwas für die Beltrettung getan zu haben, der hat entweder die Gesetzgebung nicht verstanden oder spielt falsch“, so der Vorwurf des Linken. Die Sozialdemokratin, langjährige engagierte Gegnerin der Fehmarnbelt-Querung, wollte das am Donnerstag nicht kommentieren, „weil ich das Gutachten noch nicht kenne“. Sie sei aber weiterhin der Auffassung, „dass einer dermaßen schludrigen Planung wie beim Fehmarnbelt-Projekt auch ein Beschleunigungsgesetz nichts nutzen kann“.
Nabu ist überrascht
Überrascht über den Tenor des Gutachtens ist Malte Siegert, der Fehmarnbelt-Experte des Naturschutzbundes Nabu. Das Verschieben der Projekte in den Gesetzesanhang habe „im Gegensatz zu unseren ursprünglichen Informationen offensichtlich doch zu einer rechtlich stärkeren Verbindlichkeit geführt als von uns angenommen“, kommentiert er auf taz-Anfrage.
Dass der „angebliche Bedarf der Fehmarnbelt-Querung qua Gesetz festgestellt wird“ und nicht anhand von Zahlen, Daten und Fakten von Verkehrsfachleuten ehrlich und aktuell bewertet werde, sei „politisch fahrlässig“. Gleichwohl hält Siegert das Vorhaben für „wirtschaftlich quasi tot und ohne staatliche Beihilfen kaum zu retten“.
Das sieht Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) anders. Er geht davon aus, dass der Planfeststellungsbeschluss Ende dieses Jahres vorliegen werde. Daran würden sich dann Klagen und Prozesse anschließen – und es würde sich zeigen, ob diese durch das neue Gesetz abgewürgt werden können oder doch nicht.
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