Nachwirkungen des Dieselskandals: Zulassung von VW-Dieselauto gekippt

Die Deutsche Umwelthilfe erzielt vor Gericht einen Erfolg. Sie hat mehr als 100 weitere Klagen in Bezug auf verschiedene Automodelle laufen.

Abgase kommen aus einem Pkw-Auspuff.

Sie stinken und machen krank, vor allem wenn Autokonzerne Schummel-Software einsetzen: Autoabgase Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN/SCHLESWIG afp/dpa/taz | Mehr als sieben Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor Gericht einen Erfolg im Streit um die sogenannten Thermofenster erzielt.

Es geht um Software, die die Abgasreinigung von Autos außerhalb eines bestimmten Temperaturrahmens abschaltet. Das Ziel: Dieselmotoren sollen zum Beispiel bei Kälte besser laufen. Die Wagen stoßen dann aber teils mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus als erlaubt, wie 2015 aufgedeckt wurde. Nach Rechtsprechung sind solche Thermofenster nur unter ganz engen Voraussetzungen erlaubt, etwa um konkrete Gefahren abzuwehren.

Das Verwaltungsgericht Schleswig gab am Montagabend einer Klage der DUH gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) statt und hob dessen Zulassung eines VW-Golf-Modells mit der umstrittenen Software auf, wie die Umweltschutzorganisation mitteilte. Es geht um Dieselversionen des VW Golf, die das KBA 2008 und 2009 genehmigt hatte.

Noch 2016 billigte das KBA dann die temperaturabhängige Abgasrückführung in den Software-Updates – obwohl die Fahrzeuge die Schadstoffgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhielten, nicht aber im normalen Straßenverkehr.

Volkswagen verteidigt die Thermofenster weiter

Zunächst war unklar gewesen, ob ein Verband wie die DUH in dem Fall überhaupt Klagerecht hat. Das Verwaltungsgericht Schleswig fragte deshalb beim Europäischen Gerichtshof an. Im vergangenen November kam dann die Bestätigung aus Luxemburg: Die DUH durfte gegen die Zulassung von Wagen mit den Thermofenstern klagen.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch war „sehr zufrieden und glücklich mit dem Urteil“. Es habe grundlegende Bedeutung, weil auch in vergleichbaren Verfahren nun entsprechende Urteile zu erwarten seien. Aktuell sind 118 weitere Verfahren der DUH gegen Freigabebescheide für Dieselfahrzeuge diverser Hersteller anhängig.

Resch forderte zudem von Bundesverkehrsminister Wissing (FDP), „dass er jetzt Sorge trägt, dass alle rund zehn Millionen Betrugsdiesel, die noch auf Deutschlands Straßen unterwegs sind, entweder stillgelegt oder auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden“. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist Wissings Ministerium unterstellt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Neben der Berufung wurde auch eine Sprungrevision zugelassen. Mit einer Sprungrevision kann unter bestimmten Voraussetzungen die Berufungsinstanz übersprungen und direkt das Bundesverwaltungsgericht befasst werden.

Volkswagen teilte nach der Urteilsverkündung mit, die schriftlichen Entscheidungsgründe des Gerichts abwarten zu wollen und diese sorgfältig zu prüfen. Dann werde über weitere Schritte entschieden. „Unsere Einschätzung bleibt unverändert: Die temperaturabhängige Abgasrückführung in den hier betroffenen Fahrzeugen schützt vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall. Diese wiegen so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen können.“

Das aktuelle Urteil ist nicht das erste, das zu anderen Schlüssen kommt. Im vergangenen Jahr stellte etwa der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil fest: Wenn die Abgasreinigung von VW-Diesel-Pkw einen Großteil des Jahres wetterbedingt nicht funktioniert, dann verstößt das gegen EU-Recht.

Konkret ging es damals um drei VW-Dieselmodelle, die in Österreich gekauft wurden. Nach Feststellung österreichischer Gerichte funktioniert die Abgasreinigung nur zwischen 15 und 33 Grad Außentemperatur – also einem Rahmen, der in Österreich wie etwa auch in Deutschland regelmäßig unter- oder auch übertroffen wird.

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