Umweltgesetzbuch scheitert: Die wirre Union
Das Aus des Umweltgesetzbuches erschwert die Arbeit in der Koalition. Das Verhalten der CSU stößt auch bei der CDU auf Unverständnis. Die Kanzlerin wirkt führungsschwach.
Klartext sprachen die Christdemokraten am Montag nur hinter verschlossenen Türen. Ihm sei nicht bekannt, schimpfte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger in der Sitzung des CDU-Präsidiums, dass der Freistaat Bayern im Bundesrat über ein Vetorecht verfüge. 15 von 16 Bundesländern, führte Oettinger weiter aus, befürworteten den Versuch, mit einem einheitlichen Umweltgesetzbuch endlich den bestehenden Kompetenzwirrwarr zu beseitigen und die Genehmigungsverfahren für die Wirtschaft zu vereinfachen. Es gehe nicht, dass ein solches Gesetzgebungsverfahren gar nicht erst beginnen könne, nur weil ein einzelnes Bundesland dagegen sei.
Während die CDU-Präsiden debattierten, trat zeitgleich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor die Presse. "Ich weiß, dass Herr Oettinger es ernst meint", lobte Gabriel den Stuttgarter Regierungschef. Dann müssten die Befürworter des Gesetzes aber innerhalb der Union für Ordnung sorgen. "Das ist nicht die Aufgabe des SPD-Ministers." Gabriel hatte am Wochenende das Umweltgesetzbuch wegen des hartnäckigen Widerstands der CSU für gescheitert erklärt, nachdem er seit Montag voriger Woche fast täglich mit Parteichef Horst Seehofer in Verhandlungen stand.
Während die CDU-Vorsitzende Merkel im Parteipräsidium um Verständnis für ihre Rücksichtnahme auf CSU-Befindlichkeiten warb, tat die Bundeskanzlerin Merkel so, als habe sie mit der ganzen Angelegenheit kaum etwas zu tun. Über den stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg ließ sie am Montag verlautbaren, sie habe die Entscheidung Gabriels "zur Kenntnis genommen". Weiter führte Steg aus, "persönlich" habe Merkel das Gesetzesprojekt stets für "eine große Chance" gehalten. Deshalb habe sie "mit ihren Möglichkeiten" versucht, das Thema zu "begleiten". Demnach lag eine Einflussnahme auf die CSU offenbar jenseits ihrer Möglichkeiten.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies nach der Präsidiumssitzung dem Umweltminister die Schuld am Scheitern des Gesetzentwurfs zu. Gabriel habe der CSU in der vorigen Woche Angebote gemacht, die er am Wochenende wieder zurückgezogen habe. Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach von "wirklich guten Gesprächen" in der vorigen Woche und einer "Wetterwende" am Wochenende.
Ursprünglich war das Gesetzesvorhaben von allen 16 Bundesländern befürwortet worden, auch vom damaligen bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU). Erst nach ihrem Debakel bei der bayerischen Landtagswahl änderte die CSU ihre Meinung. Daraufhin schrieben sämtliche Landesumweltminister der CDU einen Brief an die Bayern, aus dem Gabriel am Montag genüsslich zitierte. Die Gegenentwürfe der CSU seien "nicht zielführend", hieß es da.
Gabriel gab neben dem CSU-Chef Seehofer auch dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, die Schuld am Scheitern des Gesetzesprojekts. Kauder habe bereits bei einem gemeinsamen Frühstück mit seinem SPD-Kollegen Peter Struck zu Beginn der vorigen Woche erklärt, die Unionsfraktion trage das Gesetz nicht mit. Gleichzeit habe er selbst, Gabriel, noch im Auftrag der Kanzlerin mit Seehofer verhandelt.
Gabriel betonte, dass er in den Verhandlungen mit der CSU zu Kompromissen bereit gewesen sei. "Ich kann aber nicht - und das verlangt Herr Seehofer - kompletten Unsinn beschließen." Die Blockade der Union sei auch ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, in dem das Umweltgesetzbuch festgeschrieben sei. Leider gebe es aber niemanden, "der in der Union für Ordnung sorgt". Gabriel sagte aber voraus, das Projekt werde unabhängig von der politischen Konstellation nach der Bundestagswahl wieder auf der Tagesordnung stehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus