Umweltbilanz von Fischfarmen: Lachslaus und Mangroventod

Immer mehr Fisch kommt aus Aquakulturen. Das bringt zahlreiche Umweltprobleme mit sich. Deswegen sollen die Farmen jetzt nachhaltiger werden.

Der Butt: Fischfarm im niederländischen Kamperland. Bild: dapd

Fisch gilt als gesund, er ist eiweißreich und liefert die gesunden Omega-3-Fette. Ernährungsexperten empfehlen daher, mindestens zweimal pro Woche Fisch zu essen. Es ist jedoch angesichts leer gefischter Meere ein Rätsel, wie die Verbraucher das mit gutem Gewissen bewerkstelligen sollen. Fisch aus künstlichen Becken scheint da eine willkommene Alternative.

Schließlich gibt es weltweit immer mehr Aquakulturen: Dieses Produktionssystem ist der am stärksten wachsende Zweig der Landwirtschaft – vor allem in Asien verzeichnet man die größten Zuwächse. Zwei von drei Fischen werden dort produziert und gegessen. Von 1970 bis 2008 stieg die weltweite Produktion jährlich um 8,3 Prozent, hat Marcel Martínez-Porchas von der Universität in Mexiko-Stadt kürzlich vorgerechnet.

Mittlerweile stammt jeder zweite Fisch aus einem künstlich angelegten Becken, 2020 könnten es laut einem aktuellen Report des Worldwatch-Instituts 60 Prozent sein. Schließlich wird das Bevölkerungswachstum vor allem in den Städten verzeichnet und hier isst man mehr Fisch als auf dem Land.

„Aquakultur ist jedoch ein zweischneidiges Schwert“, meint Danielle Nierenberg, Koautorin des Worldwatch-Reports. Wenn die Aquakultur-Produktion so weiter wachse wie bisher, könne das verheerende Folgen für die Umwelt haben. Vor allem Aquakulturen in den empfindlichen Mangrovenwäldern bereiten Umweltschützern Sorgen, weil diese zahlreiche schützenswerte Tier- und Pflanzenarten beherbergen und hervorragende CO2-Senken sind.

Laut Martínez-Porchas fiel etwa an den Küsten Thailands von 1975 bis 1993 rund die Hälfte des landesweiten Mangrovenbestandes Rodungen zum Opfer, die Platz für die Shrimps-Produktion schufen.

Ammonium und Phosphat

Auch auf Lachsfarmen sieht es nicht besser aus: Diese sind oft mit öligem Urin benetzt, und die Enge einiger Käfiganlagen – etwa vor Chiles Küsten – begünstigt das Ausbreiten von Krankheiten wie Lachsläusen. In asiatischen Pangasiusbecken setzt man Tonnen an Antibiotika gegen krankmachende Bakterien ein. Medikamente, toxisches Ammonium und Phosphat – all dies gelangt ins Abwasser und wird auf Äcker und ins Meer gewaschen.

Wachsende Branche: Fischfarmer in Thailand. Bild: reuters

Beide Stoffe sind in großen Mengen Gift für Flora und Fauna. Oft entkommen Zuchtfische auch aus Fischfarmen und gefährden wildlebende Arten, indem sie diese anstecken oder verdrängen.

Und noch etwas bringt die Aquakultur in Verruf: Bislang verwendet man Fische, die nicht in großen Mengen für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, etwa Sardellen, als Futter in den künstlichen Fischfarmen. Diese Industriefische, gefangen vor allem vor den Küsten Perus, liefern wertvolle Proteine und Fischöle. Die gängigen Speisefische zählen fast alle zu den Räubern. Für die Produktion von einem Kilo Thunfisch müssen 25 Kilo Fischmehl verfüttert werden. Das ist wenig nachhaltig: „Die kleinen Fische sind ja auch Glieder in der Nahrungskette“, erklärt Heike Vesper, Fischerei-Expertin beim WWF.

Danielle Nierenberg mahnt daher mehr Forschung an, vor allem um alternative Futterstoffe zu finden. Weltweit sind Wissenschaftler bereits seit einiger Zeit auf der Suche nach solchem Ersatzfutter, auch in Deutschland. So können Fische in gewissem Umfang auf vegetarische Speisepläne umgestellt werden.

Jatropha statt Soja

Ulfert Focken, Wissenschaftler am Johann Heinrich von Thünen-Institut in Ahrensburg, fütterte beispielweise Regenbogenforellen, die unter natürlichen Bedingungen von tierischer Nahrung wie Insekten und kleinen Fischen leben, teilweise mit Presskuchen der tropischen Ölfrucht Jatropha.

Dieses Futter hat eine bessere Proteinqualität als Soja, das als das pflanzliche Protein schlechthin gilt. Eine hohe Proteinqualität ist wichtig, weil Fische einen hohen Bedarf an bestimmten Aminosäuren haben, die sie in ihre Muskeln einbauen, während die anderen Aminosäuren abgebaut und als Ammonium ausgeschieden werden.

Auch Presskuchen aus der Rapsöl-Herstellung zeigten bei Raub- sowie Friedfischen Erfolge, das heißt: gutes Wachstum und gleichzeitig gute Filetqualitäten. „Das Ziel ist es, möglichst viel pflanzliche Futterbestandteile und möglichst wenig Fischmehl zu verwenden“, sagt Focken. In den großen Lachsfarmen, etwa in Norwegen, wird heute schon viel pflanzliches Protein in die Futterpellets eingearbeitet. Nur die Thunfisch-Aquakultur arbeitet immer noch mit 100 Prozent Fischeiweiß.

Aber nicht nur das Futter steht im Visier der Forscher. So entwickelt etwa Carsten Schulz von der Gesellschaft für Marine Aquakultur in Büsum von der Umwelt unabhängige Fischfarmen, genannt „Recirculation aquaculture systems“. Diese brauchen keinen Teich, kein Fließgewässer, kein Meer und können daher theoretisch überall – auch in Städten – erbaut werden. Das geschlossene System verringert zudem die Risiken, wie die Übertragung von Keimen oder dass Fische entkommen.

Weitere Vorteile der mobilen Fischfarmen: wenig Arbeitseinsatz, vernachlässigbare Mengen an Abwässer, kurze Transportwege von der Farm zum Verbraucher. Lediglich der Energieverbrauch und die hohen Investitionskosten sind noch verbesserungsbedürftig. Umweltschützer wie Heike Vesper vom WWF, aber auch Experten vom Umweltbundesamt fordern darum mehr geschlossene Kreislaufsysteme im Aquafarming. So könnte „Fish in the City“ ein Puzzleteil in der zukünftigen, nachhaltigen Ernährung der Menschen sein.

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