Umsturzversuch in Gabun: Der Putsch, der keiner war
Soldaten verkünden in Gabun den Sturz von Präsident Bongo. Nach wenigen Stunden ist der Umsturz allerdings schon wieder beendet.
Dennoch wirft dieser Putschversuch ein Schlaglicht darauf, wie instabil Gabun ist. Der zentralafrikanische Ölstaat ist trotz Mehrparteienfassade eine zentralistische Autokratie – aber wenn in einem zentralistischen Staat ganz oben ein Loch klafft, funktioniert er nicht.Das Loch heißt Präsident Ali Bongo. Der 59-Jährige wird seit einem Schlaganfall im Oktober im Ausland behandelt. Der Umgang von Gabuns Staat damit ist bezeichnend.
Bongo reiste im Oktober nach Saudi-Arabien zu einem Wirtschaftsgipfel, bei dem er nie auftauchte. Er liege seit zwei Tagen im Krankenhaus, meldeten saudische Medien am 26. Oktober. Zwei Tage später bestätigte seine Sprecherin in Gabun, der Staatschef habe einen „Schwächeanfall“ erlitten. Dann: nichts. Ali Bongo war weg. Gabuns Staat schwieg. Am 11. November sagte ein anderer Sprecher schließlich, es gehe ihm schon viel besser. Nach knapp zwei Wochen wurde seine Weiterreise nach Marokko angekündigt, zur „Gesundung“.
Am 4. Dezember versammelten sich alle hohen Amtsträger Gabuns im Militärkrankenhaus der marokkanischen Hauptstadt Rabat und ließen sich mit Ali Bongo filmen – das erste Lebenszeichen des Präsidenten seit sechs Wochen. Zurück in Gabun, jubelte am nächsten Tag Premierminister Emmanuel Ngondet: „Der Staatschef ist bei Bewusstsein, er erkennt seine Gesprächspartner, er sieht gut, er spricht gut, wir sind beruhigt.“
Da kursierten in Gabun längst alle möglichen Gerüchte darüber, wo und woran Ali Bongo gestorben sein könnte. Gabun ist so etwas gewohnt. Als sein Vater Omar Bongo, seit 1968 Präsident, im Jahr 2009 starb, wurde die Nachricht als Erstes in Frankreich publik.
Gabun gehört den Bongos
2009 hatte Ali Bongo von seinem Vater die Präsidentschaft übernommen. Sein Bruder Frédéric Bongo wurde Geheimdienstchef. Gabun gehört der Bongo-Familie, und das soll auch so bleiben: Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2018 gewann Ali Bongos Tochter Malika Bongo den Wahlkreis Bongoville, Heimat der Familie, mit 99,19 Prozent.
Opposition ist in einem Land mit 1,8 Millionen Einwohnern, in dem alle Entscheidungsträger sich kennen oder gar miteinander verwandt oder verschwägert sind, schwer.
Oppositionsführer Jean Ping – er hätte 2016 die Präsidentschaftswahlen gewonnen, wenn nicht Wahlbetrug in Bongos Heimatprovinz die Zahlen gedreht hätte – hat mit Ali Bongos Schwester Pascaline zwei uneheliche Kinder. Er soll auch ein Kind mit der langjährigen Präsidentin des Verfassungsgerichts haben, Marie-Madeleine Mborantsuo, die wiederum einst Omar Bongos Geliebte war.
Solche Dinge, in Frankreich regelmäßig enthüllt, sind mehr als nur Tratsch, denn von Mborantsuo hängt ab, wie es mit Gabun weitergeht, wenn der Präsident sein Amt nicht ausüben kann. Eigentlich stellt dann nämlich das Verfassungsgericht die Vakanz des obersten Staatsamtes fest und setzt Neuwahlen an. Aber offiziell ist Gabuns Präsidentschaft nicht vakant; der Präsident ist bloß nicht da.
In seiner Abwesenheit leitet Vizepräsident Maganga Moussavou Kabinettssitzungen. Aber Gabun hat auch kein Kabinett, denn mit den Parlamentswahlen lief dessen Amtszeit ab.
Regieren von Marokko aus?
Moussavou sagte im Dezember, das alles sei kein Problem: Bongo könne auch von Marokko aus regieren. „Es dauert bloß fünf Stunden, um nach Rabat zu fliegen und Dekrete unterschreiben zu lassen“, erklärte er ganz ernsthaft. Seine Neujahrsansprache nahm Präsident Bongo in Marokko auf. Während Gabun somit aus Marokko regiert wird, hat Marokkos König soeben Weihnachtsurlaub gemacht – in Gabun.
Dass an diesem System nichts zu ändern ist, merkte die Opposition, als sie 2016 massiv gegen den Wahlbetrug protestierte. Es kam zu Massakern durch Armee und Polizei, mehrere Hundert Menschen starben. All dies dürfte ein Grund gewesen sein, warum jetzt eine Handvoll junger Soldaten Mut fasste und den Umsturz probierte. Ihr Anführer Kelly Ondo Obiang nannte sich Anführer einer „Patriotischen Bewegung der Jugend in Gabuns Streitkräften“.
Im wirklichen Leben war er aber nur Vizekommandant der Ehrenformation der Präsidentengarde. Kämpfen konnte er nicht. Seine Truppe putschte im TV-Senderaum und schloss sich dann ein, bis die Armee das Gebäude stürmte.
Manche Beobachter mutmaßen, dieser Operettenputsch sei von Geheimdienstchef Bongo inszeniert worden, um Gegner aus der Deckung zu locken – und dann die Schrauben anziehen zu können. Das System soll ja auch ohne Präsident funktionieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid