Umstrittenes Verkehrsmittel: Schlingernde Riesenlaster
Polizisten, Autofahrer und Bahnlobbyisten warnen vor Gigalinern. Diese seien ein Sicherheitsrisiko, vor allem beim Überholen und an Ampeln.
Riesenlaster sind ein Sicherheitsrisiko. Davon jedenfalls sind Polizisten, Autofahrer- und Bahnlobbyisten überzeugt. Sie warnten Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Dienstag in Berlin davor, am groß angelegten Feldversuch mit den überlangen Lkw, auch Gigaliner genannt, festzuhalten. "Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer eignet sich nicht für Experimente", sagte Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Verkehrssicherheit müsse Vorrang vor dem Profitstreben von Spediteuren haben.
Bislang dürfen in Deutschland Lkw eine Länge von 18,75 Meter nicht überschreiten, und sie dürfen nicht schwerer als 40 Tonnen sein. Riesen-Lkw haben eine Länge von 25,25 Meter; ursprünglich war geplant, sie bis 60 Tonnen zuzulassen. Diese Idee ist vom Tisch, da zu schwere Laster Straßen und Brücken gefährden könnten. Nun sollen die Laster zwar länger, aber nicht schwerer werden dürfen.
Um diese Laster im Alltag zu testen, plant Ramsauer einen auf bis zu fünf Jahre angelegten Feldversuch, an dem mehrere Bundesländer teilnehmen wollen. Der Vorteil von Riesenlastern für Spediteure wäre: Sie könnten mit weniger Fahrten mehr Volumen transportieren, was Kraftstoff und Geld sparen würde. Die Gegner befürchten, dass durch die Riesenlaster der Lkw-Verkehr noch attraktiver würde, während Bahnen und Schiffe Kunden verlieren - was letztlich auf Kosten der Umwelt ginge.
"Wir haben jetzt schon zu viel Lkw-Verkehr", so Wendt. Diesen könne die Polizei nicht ausreichend kontrollieren. Kämen Riesenlaster auf die Straße, würden Überholvorgänge erschwert. "Diese Fahrzeuge überfordern viele Auto- und Lkw-Fahrer."
"Schon jetzt ist an jedem fünften tödlichen Unfall ein Lkw beteiligt", sagte Wolfgang Rose, Chef des Auto Clubs Europa. "Autofahrer haben Angst vor Monstertrucks auf unseren Autobahnen." Jedes Überholen eines überlangen Lastwagens koste zusätzliche Sekunden, die über Leben und Tod entscheiden können. Selbst bei einem Feldversuch blieben die Fahrten der Riesenlaster nicht auf Autobahnen beschränkt. "Irgendwie müssen die ja auf die Autobahn kommen, und bei Vollsperrungen haben wir sie sowieso auf der Landstraße." Überlange Lkw könnten Ampeln und Schranken nicht immer schnell genug räumen. Kreisverkehre seien meist zu eng für diese Fahrzeuge. Da sie mehr Achsen hätten, seien sie leichter ins Schlingern zu bringen
Dirk Flege, Geschäftsführer der Lobbyorganisation Allianz pro Schiene, sieht weitere Nachteile der Riesenlaster. Rastplätze müssten teuer umgebaut werden, da es dort zu wenig Raum für sie gebe. Fange ein solches Fahrzeug Feuer, erhöhe sich die Brandlast. "Unsere Tunnel sind dafür nicht ausgelegt."
Leser*innenkommentare
berndl
Gast
Es gibt wohl noch nicht genug Spurrillen auf der Autobahn? Die Spediteure sparen Sprit, dafür muss die Allgemeinheit die halbjährliche Autobahnsanierung bezahlen. Oh Mann, dieses Land ist so verdammt rückständig.
BahnCargo
Gast
Gigaliner sind ein Schritt in die falsche Richtung, das weiß eigentlich jeder in der Branche. Profitgier vor Sicherheit, wohin das führt haben wir im frostigen Dezember 2010 alle gesehen. Wenn LKW weite Strecken fahren sollen, dann sollte das im Hupac-Verkehr geschehen. Dabei wird der Auflieger eines normalen Sattelzugs in spezielle Güterwagen verladen und auf der Schiene über weite Strecken relativ schnell transportiert. Erst in der Nähe des Ziels kommt so ein Auflieger wieder auf die Strasse. Unnötig zu erwähnen, das Gigaliner dafür zu lang sind.
Schon heute haben viele Orte zur Verkehrsberuhigung enge Kreisverkehre eingeführt, die auch konventionelle LKW oft nicht mehr passieren können. Noch längere Züge kämen da erst recht nicht mehr durch. Welche Lobby auch immer hinterm Gigaliner steht, sie sollte scheitern. Man muß nicht alles machen, nur weil man es theoretisch könnte.
Friedrich Grimm
Gast
Da schlage ich vor, Herrn Ramsauer und weitere "Leuchten" in so ein tolles Gefährt an das Steuer zu setzen und durch eine Teststrecke zu jagen. Das könnte vielleicht dazu beitragen, dass diese dummen Profitgeier auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
Außerdem wäre es eine Untersuchung wert, einmal zu prüfen, was denn alles so in Deutschland, von Ost nach West von Nord nach Süd und umgekehrt, unsinnigerweise herumgekarrt wird. Da könnte mit Sicherheit auf sehr viele Fahrten verzichtet werden. Und was die Gigaliner betrifft eignen sich die besonders für Transporte durch die Wüste Sahara.
Klaus Konold
Gast
Absoluter Schwachsinn, allein schon angesichts der zahllosen "normalen" Lkws, die jetzt schon winters quer stehen, liegen bleiben, von der Fahrbahn abkommen und wegen Bergungsarbeiten stundenlang Straßen blockieren.
À propos Bergungsarbeiten - wären solche mittels des verfügbaren Geräts überhaupt durchführbar? Und wenn nicht, was dann?
Bodo M. Menschenfreund
Gast
Gegen Gigaliner ist mindestens soviel Widerstand angebracht wie gegen Stuttgart 21!
Querulant
Gast
Schön dass unser Verkehrsminister mehr Güter von der Schiene auf die Straße verlagern will... das wird die Bahn sicher entlasten bei ihrem Börsengang. Da Transportaufgaben von Mensch und Material ja nur lästiger Ballast bei den Börsenspekulationen...
willwheaton
Gast
Tja, wo sich das Kapital reproduzieren will, da müssen Mensch und Natur weichen.
arribert
Gast
Der AUFSCHWUNG ist doch da, den darf man sich doch nicht von so ein paar Bedenkenträgern kaputt machen lassen. Leute wir haben bald Vollbeschäftigung! Es geht hier um ARBEITSPLÄTZE! Jeder tote Autofahrer macht wieder einen Arbeitsplatz frei, wenn er arbeiten gegangen ist und sein Hartz-IV nicht sinnlos auf der Autobahn verballert hat.
Immer daran denken: AUFSCHWUNG unser, dein Wille geschehe...
Bitbändiger
Gast
Ich bin zufällig gerade gestern wegen eines Auffahr-Unfalls mir mehreren "ganz normalen" LKW stundenlang auf der A6 im Stau gestanden. Die Idiotie unserer Politiker, das Problem durch immer mehr Ausbau der LKW-Verkehrswege lösen zu wollen, statt die "Just-in-Time"-Ideologie (und die damit verbundene Verlagerung der Lagerhaltungs-Kosten auf die Steuerzahler) durch restriktive Maßnahmen zu druchkreuzen, wird von Tag zu Tag deutlicher: der allseits bejubelten dritten Spur auf der A6 wird in wenigen Jahren eine vierte und fünfte folgen müssen.
Die bundesweite Neuauflage des vor Jahren schon in Niedersachsen gescheiterten Gigaliner-Experiments zeigt lediglich, dass der aktuelle Verkehrsminister von der Disziplin "Denken" noch erheblich weniger Ahnung hat als seine Vorgänger: Schon in der nackten Theorie erweist sich der Erprobungsversuch als völlig überflüssig. Herrn Ramsauer sollte angeraten werden, sich in seine Mühle zurückzuziehen und die Politik intelligenteren Leuten zu überlassen.
miri
Gast
Besonders lange Lasten -- Stahlträger, Rotorblätter von Windenergieanlagen usw. -- dürfen heute auch schon transportiert werden, aber in besonderen Konvois, wo ein oranges Fahrzeug mit Blinklicht vorweg fährt und eins hinterher. Erlauben wir das doch auch für diese Riesenlindwürmer. Die orangen Begleitfahrzeuge müssen die Spediteure selbstverständlich selbst bezahlen. Dann wollma mal sehen, ob diese Riesenlaster zu billigeren LKW-Transporten führen!
Yadgar
Gast
Ach was, Gigaliner! Was wir brauchen, ist ein 10000-mm-Ultrabreitspurbahnnetz, auch wenn für die Trassen das eine oder andere Mittelgebirge weggesprengt und die Bevölkerung der einen oder anderen Großstadt nach Burkina Faso deportiert werden muss. 40 Meter hohe Monster-Loks mit Schnellen Brütern als Antriebsaggregat, die 20 km lange Züge ziehen, wahre rollende Städte mit sechsstöckigen Passagierwagen, Einkaufzentren, Sporthallen und Schwimmbädern an Bord, Güterzüge, die Schüttgut gleich kubikkilometerweise transportieren... so retten wir den STANDORT DEUTSCHLAND!
Flo
Gast
Denkt vielleicht auch mal einer an Fahrradfahrer wie mich?
gigalinerfreund
Gast
Man spricht davon, daß ein 40-Tonner die Straßen wie 160.000 PKW belasten.
Straßen- und Brücken-, Tunnel sowie LKW-Parkplätze sind für diese Monster im Bezug auf Gewicht und Länge nicht ausgelegt.
Diese LKW wirken auf freier Strecke wie riesige Segel und laufen Gefahr, daß sie bei Böen aus der Bahn- oder gar umgeworfen werden.
In Mittelgebirgen und den Alpen sind Kurven nicht für diese LKW eingerichtet und die kurzen Geraden auf den Strecken lassen größtenteils ein Überholen diese Fahrzeuge nicht zu.
Für Umbaumaßnahmen der Brücken allein sind nach vorsichtigen Schätzungen deutlich mehr als 8 Milliarden Euro erforderlich.
Welcher Teufel reitet also, außer einem noch nicht einmal sicheren Gewinn für Hersteller und Spediteure, die Befürworter, eine solche totale, unverantwortliche Verkehrsänderung zu fordern?
bauli
Gast
Ist das die Unterstützung für die Bahn, die Ramsauer seit dem letzten Winter vor sich her trägt? Dies ist genau das Zeichen, welches die Spediteure brauchen. Aus dem Feldversuch wird dann durch geldwerte Schmiermittel an den richtigen Stellen, die im Verlauf des Feldversuches gezahlt werden, Gesetz. Als Bayer kenne ich die Abläufe nur zur Genüge. Hier können dann z.B. wieder mal Arbeitsplätze abgebaut werden, mit dem Druck des weiteren Arbeitsplatzabbau dann Forderungen (Ausbau der Zufahrtsstraßen, Mauterleichterungen usw.) erhoben werden, immer mit dem Hinweis auf die schändliche Konkurrenz aus dem Ausland.
Die Dinger mögen ja in Australien Sinn machen, hierzulande verbietet die Infrastruktur diese Monster. Dieser Verkehr muss auf die Schiene und nicht auf die Straße, die Dinger sehen ja schon aus wie ein Güterzug. Gar nicht auszudenken, wenn so ein Teil ungebremst in ein Stauende kracht. Oder im Tunnel das Brennen anfängt, oder schlecht gewartet ist, oder der Fahrer übermüdet fährt, oder...