Umstrittenes Elektrorennen in Berlin: Genetisch bedingter Autowahnsinn
Am Samstag brettern Ex-Formel 1-Piloten in Elektro-Rennautos mitten durch Berlin. Angeblich der Nachhaltigkeit wegen. Was soll das?

Rennvorbereitungen rund um den Strausberger Platz Foto: dpa
Formel 1 ist schnell, laut, dreckig. Und damit für Kritiker der stinkende Vorhof zur Sinnlosigkeit, die volle Dröhnung auf direktem Weg zur Umweltverpesterhölle. Die Formel E will da ganz anders sein: gedrosselte 225 statt 300 Kilometer pro Stunde. Maximal 80 Dezibel, also Rasenmäherlautstärke, statt 130 Dezibel Düsenjet. Emissionslose 28 Kilowatt pro Stunde statt rauchende 60 Liter auf 100 Kilometer.
An diesem Samstag findet das zweite Rennen der Formel E in Berlin statt, diesmal direkt in Mittes Häuserschluchten. Doch nur mal so anschauen ist nicht: Seit Wochen blockieren die Tribünenaufbauten und Fangwände den Alltagsverkehr und am Samstag auch für alle Nichtzahler die Sicht auf die „Zukunft der E-Mobilität“.
Jean Todt, Alain Prost, Jarno Trulli, Jacques Villeneuve, Nick Heidfeld – es sind große Namen aus der Formel 1, die die Formel E vorantreiben wollen, vermeintlich bekehrt zum Gebot der Nachhaltigkeit. Kein Geringerer als Leonardo DiCaprio ist Mitbesitzer eines Formel-E-Rennstalls. Sie alle sehen sich als Vorreiter der Revolutionierung eines Sports, der laut Veranstaltern „deeply rooted in the DNA“ ist.
Und sie geben sich wirklich Mühe: Der Strom für die Autos entstammt der emissionslosen Verbrennung von Glycerol, einem Abfallprodukt von Biodiesel aus Algenkulturen. Beim Rennkalender wird auf geringe Transportwege, bei den Rennorten auf Nähe zum Publikum und somit geringe Anfahrtswege geachtet. 25.000 Tonnen Kohlendioxid hat die Formel E nach eigenen Angaben in der Saison 2014/2015 verbraucht, in zehn Rennen rund um den Erdball. Im Vergleich zur Formel 1 sind das Traumzahlen. Aber mit der will sich die Formel E gar nicht vergleichen.
Von den Unbekehrten gab es ohnehin nur Häme: „Die ödeste Geschichte, die ich seit Langem gesehen habe“, diktierte Niki Lauda, der Beckenbauer der Formel 1, den einschlägigen Motorsportmagazinen. Der Chef des Motorsportdachverbands, verantwortlich für Formel 1 und E, versichert, dass die Formel E kein Ersatz sein solle und wolle. Schade. Das wäre ja wenigstens was.
So muss sich die Veranstaltung an sich selbst messen: Der CO2-Verbrauch der ersten Saison entspricht dem Jahresverbrauch 12.500 benzinbetriebener Kleinwagen oder der Strommenge, die 12.000 Dreipersonenhaushalte im Jahr verbrauchen. Und die 28 kW, die ein E-Rennauto pro Stunde verbraucht, würden für die Elektrorasur von 700.000 Männerbärten reichen. Bei 18 Autos und rund 2 Stunden Gesamtfahrzeit könnte man also am Samstag in Berlin auch alternativ 25 Millionen alte Bärte abschneiden. Und zwar bei denen, die, angeblich genetisch bedingt, beim Stichwort „Elektromobilität“ nur Autos sehen, am liebsten ganz schnelle.
Leser*innenkommentare
Korinthenhacker
"28 Kilowatt pro Stunde statt rauchende 60 Liter auf 100 Kilometer"
Quatsch! Die Batterien der Autos haben eine Kapazität von 28kWh. Von denen werden zwei pro Rennen (86km) entladen.
Sollte ein kritischer Artikel zu diesem Thema nicht lieber von jemandem geschrieben werden, der versteht, von was er schreibt?
Nase Weis
Das wollte ich auch gerade anmerken. Da fehlt dem Journalisten wohl an essentiellem Grundwissen.
Um die Frage im Titel zu beantworten, was das solle: Es bereitet Freude.