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Umstrittener Staatsbesuch in FrankreichGaddafi mit hohen Ehren empfangen

Frankreichs Präsident Sarkozy macht den libyschen Diktator wieder salonfähig. Beide Seiten wollen milliardenschwere Verträge unterzeichnen. Menschenrechtler üben Kritik.

In Europa wieder willkommen: Libyens Diktator Muammar el Gaddafi Bild: rtr

PARIS taz Am internationalen "Tag der Menschenrechte" hat Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Montag den roten Teppich für Muammar el Gaddafi im Elysée-Palast ausgerollt. Es war der Auftakt zu einem fünftägigen Besuch in Paris, bei dem Gaddafi unter anderem Verträge über Militärflugzeuge, Kampfhubschrauber, Raketen sowie ein Atomkraftwerk unterschreiben will. Gegenwert: rund drei Milliarden Euro.

Die französische Opposition protestiert lautstark gegen die "Ehren für den Diktator". Die Uneinigkeit reicht bis hinein in die rechte Regierung. Die Staatssekretärin für Menschenrechte, Rama Yade, sprach im Boulevardblatt Le Parisien von einem "Kuß des Todes". Kaum war das Interview erschienen, wurde Yade am Montag Vormittag im Büro von Sarkozy vorgeladen.

Außenminister Bernard Kouchner, der in seiner früheren Eigenschaft als Menschenrechtsaktivist einer der virulentesten Gaddafi-Kritiker Frankreichs war, stellte sich am Montag hinter seine Staatssekretärin. Wegen "wichtiger Termine in Brüssel" nahm auch Kouchner nicht an dem seit langem geplanten Gala-Diner im Elysée-Palast teil. "Das ist ein glücklicher Zufall", sagte er zu seiner Abwesenheit.

Menschenrechtsstaatssekretärin Yade schluckt in diesen Tagen jede Menge Affronts aus ihren eigenen Reihen: sie durfte schon nicht an der Reise ihres Staatspräsidenten nach China teilnehmen. Dann gratulierte Sarkozy als einziger europäischer Staatschef dem undemokratisch gewählten Putin. Und während des Besuches von Gaddafi ist jetzt keine Begegnung zwischen ihm und Yade eingeplant. "Würde ich ihn treffen", sagt sie trotzig, "würde ich ihm die Meinung zu den Menschenrechten sagen".

Für Gaddafi ist Frankreich das erste westeuropäische Land, das ihn seit dem Bombenattentat auf die Berliner Diskothek La Belle und den darauf folgenden weltweiten Flugzeugattentaten - von Lockerbie bis Niger - empfängt. Mitte Dezember wird er auch Spanien besuchen.

Den Anfang der neuen Beziehung auf der Spitzenebene machte Sarkozy. Im Juli, wenige Stunden nach der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes, die jahrelang widerrechtlich in Libyen gefangen gehalten und gefoltert worden waren, besuchte Sarkozy Tripolis. Seither begründet er seine Annäherung an Gaddafi damit, daß es gelte, Staaten, die dem Terrorismus abgeschworen hätten, zu unterstützen. Dass er mit Gaddafi auch Geschäfte mache, sei kein Problem: "Wir können Verträge abschließen, ohne jemals auch nur einen Zentimeter von unseren Überzeugungen abzuweichen."

Die sozialistische Opposition ist nicht gegen Geschäfte mit Libyen. Auch Pierre Moscovici, Chef der parlamentarischen Kommission, die versucht die Hintergründe der Geiselbefreiung im Juli zu verstehen und Geheimgeschäften, die dabei zustande gekommen sein können, auf die Schliche zu kommen, meint: "Es ist besser, mit ihm zu reden, als ihn an den Rand zu drängen". Die Sozialisten kritisieren, daß Gaddafi "zu viel Ehre zuteil" werde: zwei Empfänge im Elysée-Palast, ein Empfang im französischen Parlament, sowie zahlreiche weitere Begegnungen an der Spitze.

Moralisch entrüstet sich auch der rechtsliberale François Bayrou: "Ein bißchen Öl reicht, und schon wird der rote Teppich für einen Diktator ausgerollt." Etwas verhaltener, aber dennoch kritisch, sind auch Abgeordnete der Regierungspartei UMP. Fraktionschef Jean-François Copé beispielsweise hat am Dienstag vermutlich "keine Zeit", um Gaddafi im Parlament zu begegnen.

Daniele Schwarz, Schwester eines der bei einem Flugzeugattentat über dem Niger umgekommenen Opfer, bezweifelte am Montag im Fernsehsender "France2", daß Gaddafi seine Position gegenüber dem Terrorismus geändert habe. Erst zwei Tage zuvor beim Afrika-EU-Gipfel in Portugal hatte der Libyer Verständnis für "schwache Staaten" gezeigt, für die der Terrorismus das einzige Mittel sei.

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