Umstrittene Potsdamer Garnisonkirche: Mehrausgaben und Mehrbedarf
Die Kirche werde größtenteils aus Steuergeldern finanziert, sagt das „Rechercheteam Lernort Garnisonkirche“. Doch das Geld reiche nicht.
Wenn man wissen möchte, wie weit die Rekonstruktion des Kirchturms der Garnisonkirche in Potsdam seit Baubeginn 2017 vorangeschritten ist, dann kann man sich über eine Webcam ein Bild machen. Auf der Website der Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP) übertragen zwei Kameras alle 15 Minuten ein Bild der Baustelle: eins aus der Vogelperspektive, ein anderes von schräg unten.
An diesem Märzvormittag ist der Himmel grau verhangen und eigentlich sieht man gar nichts. Es fällt schwer, dieses Webcam-Bild nicht metaphorisch für die aktuelle Situation des Bauprojekts zu verstehen. Denn diese scheint wahrhaft trüb.
Die Rekonstruktion der Garnisonkirche, deren Original durch Bombardements im Jahr 1945 stark zerstört und schließlich 1968 in der DDR abgerissen wurde, ist seit drei Jahrzehnten hoch umstritten. Dass die Kirche wiederaufgebaut werden soll, vor deren Portal am 21. März 1933 Paul von Hindenburg seinem Kanzler Adolf Hitler am geschichtsträchtigen „Tag von Potsdam“ die Hand schüttelte und den Schulterschluss der preußischen Militärs mit den nationalsozialistischen Kräften besiegelte, stößt bundesweit wie auch in Potsdam auf Unverständnis.
Nachdem man den rechtsradikalen Initiator des Rekonstruktionsvorhabens, Oberstleutnant a. D. Max Klaar, von dem Projekt entfernte, wurden Schritte unternommen, um den Wiederaufbau der ehemaligen Militärkirche in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
Mit Steuergeldern finanziert
„Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“ lautet seither der Slogan. Die Schirmherrschaft übernahm der Bundespräsident. Auf der Website der Stiftung finden sich Zitate von prominenten Persönlichkeiten, in der sie ihre Unterstützung begründen. Wolfgang Schäuble etwa, dessen Argumentation „… weil man Geschichte nicht unter den Tisch kehren kann“ zumindest zweifelhaft gerät. Die Bundespolitik, das wird jedenfalls klar, ist involviert. Nicht nur repräsentativ, sondern vor allem finanziell. Und zwar mehr als geplant und möglicherweise nicht rechtskonform.
Laut einem Bericht des „Rechercheteams Lernort Garnisonkirche“ vom 10. Februar werde das privatrechtlich konzipierte Projekt größtenteils aus Steuergeldern finanziert – „jedoch reicht das Geld immer noch nicht“. Das Rechercheteam setzt sich aus Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie, Sara Krieg von der „Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ und Carsten Linke vom „Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam“ zusammen.
In ihrem 24-seitigen Recherchebericht wird die erste Förderung des Bundes von 12 Millionen Euro im Jahr des Baubeginns 2017 untersucht, an deren Rechtmäßigkeit zu zweifeln sei. Wie vor Kurzem bekannt wurde, wird die Förderung seit Mai 2020 auch vom Bundesrechnungshof geprüft.
Einer der Vorwürfe lautet, dass die Gesamtfinanzierung des Projekts zum Zeitpunkt der staatlichen Förderung nicht gegeben war – und bis heute nicht ist. Um diesen Umstand zu kaschieren, habe die SGP die Rekonstruktionsarbeiten in zwei Bauphasen geteilt. Im Recherchebericht wird dieses Vorgehen als „Kunstgriff“ bezeichnet, „um den Eindruck einer gesicherten Finanzierung für die erste Phase darstellen zu können“.
Zu wenig Spendengelder
Wurden von der Stiftung ursprünglich 40,3 Millionen Euro für diese erste Phase veranschlagt, so sind die Kosten für den Förderantrag auf 35,6 Millionen Euro heruntergerechnet worden, ohne dass weniger Baumaßnahmen vorgesehen waren. Mittlerweile sind die Kosten auf über 44 Millionen Euro gestiegen.
Eigentlich sollte die Rekonstruktion aber zum größten Teil aus privaten Mitteln, insbesondere aus Spenden, finanziert werden. So führte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, 2014 aus, die öffentlichen Mittel sollten als Anreiz für potenzielle Spender wirken, „der weitaus größere Teil der Kosten muss – so wie es auch die Initiatoren der Stiftung Garnisonkirche Potsdam stets bekunden – aus privaten Mitteln aufgebracht werden“.
Doch der erhoffte Umfang des Spendenaufkommens blieb aus – wohl auch aufgrund der anhaltenden Kritik am Projekt. Bereits jetzt übersteigt die Förderquote aus staatlichen Mitteln deutlich die 50-Prozent-Marke.
Philipp Oswalt hält es für „durchaus denkbar, dass es im BKM auch Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Förderung gab und gibt“. Nicht ohne Grund habe es von der Einstellung in den Haushalt 2013 bis zur Ausstellung des Förderbescheids knapp vier Jahre gedauert. Die Förderbewilligung wurde erst drei Tage vor dem offiziellen Baustart ausgestellt, an dessen Festakt auch viele prominente Politiker teilnahmen.
„Unvorhersehbarkeit“ der Finanzierungslücke?
Zwei Tage nach der Veröffentlichung der Forderungen des Rechercheteams kündigte eine Sprecherin des BKM eine zweite Förderung von 8,25 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln an. Diese könnte möglicherweise gegen Förderrecht verstoßen, da die erste Förderung als eine sogenannte Festbetragsförderung deklariert wurde und somit weitere Zuwendungen ausschließe.
„Der Ergänzungsantrag der Stiftung Garnisonkirche Potsdam wurde“, laut einem Sprecher des BKM, „umfassend nach den zuwendungsrechtlichen und baufachlichen Vorgaben mit dem Ergebnis der uneingeschränkten Förderfähigkeit geprüft“. Grund seien unvorhergesehene „Mehrausgaben und Mehrbedarf“.
Das Rechercheteam Lernort Garnisonkirche zweifelt jedoch stark an der „Unvorhersehbarkeit“ dieser Finanzierungslücke. Außerdem wirft es dem BKM vor, durch die Auszahlung erneuter Fördermittel noch vor dem Ende der Prüfung durch den Bundesrechnungshof einen „Point of no return“ zu erzwingen. Ein Oppositionsantrag, das Prüfungsergebnis abzuwarten, wurde im Haushaltsausschuss des Bundestages in einer Sitzung vom 24. Februar abgelehnt.
„Hier werden im Kleinen jene Muster reproduziert, die der Öffentlichkeit aus den großen Bauskandalen des letzten Jahrzehnts hinlänglich bekannt sind“, schreibt das Rechercheteam. Aufgrund des hohen politischen Drucks, den man selbst erzeugt hat, versucht man eine Aktenlage herzustellen, die wenigstens auf dem Papier korrekt aussieht. Der Förderantrag liegt nun dem Bundesministerium der Finanzen vor, mit einer Freigabe ist zu rechnen. Das Mindeste wäre dann eine Verpflichtung der Stiftung zu mehr Transparenz über ihre Finanzen.
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