Umstrittene Anleihenkäufe der EZB: Karlsruhe weist Klagen zurück
Die Europäische Zentralbank darf Staatsanleihen überschuldeter Mitgliedsstaaten aufkaufen. Das urteilt das Verfassungsgericht.
Die Bundesbank darf sich deshalb künftig am Kauf maroder Staatsanleihen beteiligen, Bundesregierung und Bundestag müssen aber beobachten, ob das Programm nicht die vom EuGH bestimmten Grenzen verlässt. (Az. 2 BvR 2728/13 u.a.)
Mit dem Urteil zogen die Verfassungshüter den Schlussstrich unter ein dreieinhalb Jahre dauerndes Verfahren. Anlass war die umstrittene Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi aus dem Jahr 2012, zur Beruhigung der Finanzmärkte unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen.
Kläger wie der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, einige Professoren sowie mehr als zehntausend Bürger sahen deshalb die Gefahr, dass mit dem Programm Haushalte überschuldeter Staaten per Notenpresse finanziert werden könnten und Deutschland dafür mithaften müsste.
Karlsruhe legte den Fall zunächst mitsamt einem Lösungspaket dem EuGH vor. Die Luxemburger Richter billigten im Juni 2015 das bis heute nicht aktivierte Programm unter einer Reihe von Auflagen. Demnach darf die EZB etwa Anleihekäufe nicht ankündigen, das Volumen der Käufe muss begrenzt werden, und eine Mindestfrist zwischen Kauf und Verkauf der Anleihen muss eingehalten werden, um Spekulationen zu vermeiden. Zudem dürfen nur Anleihen von noch kreditwürdigen Staaten gekauft werden, und die Titel dürfen nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden.
Kein relevantes Risiko für das Budgetrecht
Dem Urteil zufolge besteht unter diesen gerichtlich zu kontrollierenden Maßgaben „kein relevantes Risiko für das Budgetrecht des Bundestags“, wenn womöglich mit mehrstelligen Milliardenbeträgen für Schuldentitel gehaftet werden müsse. Bundesregierung und Bundestag seien deshalb auch nicht verpflichtet, „gegen das OMT-Programm vorzugehen“.
Kritisch äußerten sich die Richter aber zur Entscheidung des EuGH, die EZB überschreite mit dem Programm noch nicht ihre Kompetenzen und betreibe keine unzulässige Wirtschaftspolitik. Luxemburg hatte entschieden, dass die Aufgabe der EZB zwar vorrangig Geldpolitik zur Stabilisierung der Preise sei. Die EZB dürfe aber auch „ohne Beeinträchtigung dieses Ziels die allgemeine Wirtschaftspolitik der Union unterstützen“.
Die Verfassungshüter zeigten sich im Urteil zwar unzufrieden über diese unklare Abgrenzung von erlaubter Geldpolitik zu verbotener Wirtschaftspolitik. Die Auffassung des EuGH bewege sich aber noch innerhalb der Fehlertoleranz. Zudem sei Karlsruhe an die Entscheidungen des EuGH bis an die Grenze zur Willkür gebunden.
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